Re­gu­lie­rung und Nach­hal­tig­keit

«So viel Regulierung wie nötig, so wenig wie möglich.» Dieser Grundsatz gilt aus Sicht des SVV im Bereich der Nachhaltigkeit im Besonderen. Aufgrund einer Kombination von beabsichtigter Zielsetzung und Wirkungsweise lassen sich unterschiedliche Kategorien der Regulierungsintensität bilden:

 

  1. Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes sowie Schutz des Individuums, wie beispielsweise durch die Einführung von Transparenz- und Offenlegungsvorschriften oder ein Verbot von Greenwashing.
     
  2. Beeinflussung zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, ohne rechtliche Sanktionen, wie zum Beispiel die Forderung von Transitionsplänen oder die Offenlegung von Green Asset Ratios.
     
  3. Steuerung / (bindende) Lenkung auf Nachhaltigkeitsziele, die über die Risikoeinschätzung hinausgeht, beispielsweise durch die Einführung von Penalizing Factors.

 

Dem oben genannten Grundsatz folgend gilt es zur Zielerreichung der Nachhaltigkeitsbestrebungen das mildeste (Regulierungs-)Mittel einzusetzen. In einem ersten Schritt steht der Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes sowie der Versicherten im Vordergrund.

Eine massvolle Regulierung sieht ohne Notwendigkeit von steuernden Elementen ab. Solche könnten beispielsweise dazu führen, dass Versicherungen auf der Anlageseite zum Ausstieg aus Investitionsbereichen gezwungen werden, die sie bei der Transition hätten unterstützen und damit den Umbau in eine nachhaltigere Wirtschaft hätten beschleunigen können.

Eine steuernde Regulierung in diesem Bereich kann somit transitorische Risiken forcieren oder gar erst entstehen lassen. Es geht daher um die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen, um eine finanziell und ökologisch nachhaltige Wirtschaft mit minimalen Verwerfungen zu gewährleisten.

 

Risikomessung als Kerngeschäft der Versicherer

Die Versicherungsindustrie belegt mit ihrem gesellschaftsindividuellen sowie branchenweiten Engagement, dass die geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen Anreize setzen, um finanzielle und ökologische Nachhaltigkeitsbestrebungen zu lancieren und voranzutreiben. So haben sich Versicherer individuelle Netto-Null-Ziele gegeben oder sind Net Zero-Allianzen beigetreten. Neben dem Anlagemanagement spiegelt sich dies auch im Kerngeschäft der Versicherer, bei der Übernahme von Risiken und deren Messung. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Versicherungsbranche (zunehmende Frequenz und Intensität von Grossschäden) bedingen dabei deren eingehende Auseinandersetzung im Risikomanagement. Es ist festzuhalten, dass der Klimawandel nicht per se ein neues Risiko, sondern vielmehr einen zusätzlichen Risikotreiber darstellt, der sich auf bestehende Risikokategorien auswirkt. 

Die Auswirkungen des Klimawandels sind entsprechend in den bestehenden regulatorischen Kapitalanforderungen bereits vollständig abgebildet. Die Versicherer sind somit trotz der Auswirkungen des Klimawandels aus finanzieller und Risikomanagementsicht bestens aufgestellt, um ihre Rolle als Risikoträger der Gesellschaft wahrnehmen zu können.

Eine zusätzliche diesbezügliche Regulierung würde zu einer Doppelzählung der Risiken und zu einer unverhältnismässigen Erhöhung der Kapitalanforderungen führen. Die zusätzliche Bindung von Kapital könnte für die Nachhaltigkeitsbestrebungen sogar kontraproduktiv sein, da dadurch weniger Investitionsvolumen für Nachhaltigkeitsanliegen zur Verfügung stünde.

 

Transparenz als zentrales Element

Mit Blick auf die Versicherungsindustrie ist festzuhalten, dass eine Beeinflussung oder gar Steuerung zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele weiterhin nur zurückhaltend einzusetzen sind. Im Fokus steht der Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes sowie der Individualschutz, der durch Offenlegungs- und Transparenzvorschriften gefördert und erreicht werden kann.

In diese Richtung zielen auch die Bestrebungen des Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen (SIF). Es ist anzumerken, dass aktuelle internationale Entwicklungen in diesem Bereich besondere Wachsamkeit verdienen. Internationale Standards – beispielsweise von der International Association of Insurance Supervisors – gewinnen an Bedeutung, da internationale Regelwerke wie die Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) vermehrt 1:1 in nationale Gesetze überführt werden. Dadurch kann die internationale Harmonisierung gestärkt werden.

Aus Sicht des SVV ist es mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zentral, dass sich die Schweiz an geeigneten internationalen Standards orientiert, jedoch kein Swiss Finish mit einer Verschärfung der Anforderungen betrieben wird. Es ist daher wichtig, dass sich die Schweiz auf internationaler Ebene einbringt und die Entwicklung dieser Standards aus einer marktwirtschaftlich orientierten Denke heraus mitgestaltet.

Die Transparenzbestrebungen der gesamten Finanzbranche stehen in direkter Abhängigkeit von jener der Realwirtschaft. Ohne entsprechende belastbare Daten und Informationen zur Nachhaltigkeit der Industrien (unter anderem CO2-Ausstoss) beruhen Offenlegung und Transparenz oftmals auf Schätzungen.

Zur Gewährleistung des Schutzes von Versicherten sowie Konsumentinnen und Konsumenten ist ein Einbezug der Realwirtschaft in die Nachhaltigkeitsbestrebungen und -überlegungen zwingend. Zum gleichen Schluss gelangt der Leiter der Taskforce «Nachhaltige Finanzen» im SIF, Christoph Baumann, im Jahresbericht 2021 des SVV: «Damit der Finanzplatz den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft optimal unterstützen kann, ist er auf Daten aus der Realwirtschaft angewiesen. Klimatransparenz von grossen Unternehmen ist ein zentrales Element für das Funktionieren der Märkte».