Versicherungsvertragsgesetz: Drei Bestimmungen im Faktencheck
Das Parlament berät derzeit die Revision des Versicherungsvertragsgesetzes VVG. Im Faktencheck werden drei Punkte unter die Lupe genommen, die für Diskussionen sorgen.
Einseitige Anpassungen der Vertragsbestimmungen
Versicherungsverträge sind Dauerverträge. Eine einseitige Anpassung der Versicherungsbedingungen muss aufgrund nicht voraussehbarer Entwicklungen möglich sein.
Neu dürfen die Versicherer die Vertragsbedingungen einseitig ändern. Den Kunden bleibt nichts anderes übrig, als zu kündigen, wenn sie mit der Anpassung der Versicherungsbedingungen nicht einverstanden sind. Damit sind die Kunden schlechter gestellt als vor der Gesetzesrevision.
Falsch: Eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen ist heute schon möglich. Das ist notwendig, weil gerade langfristige Verträge, wie sie in der Versicherungsbranche üblich sind, von rechtlichen oder anderen Entwicklungen überholt werden können. So können beispielsweise im Bereich der Krankenzusatzversicherung Entwicklungen in der modernen Medizin, Änderungen des Leistungskatalogs der Grundversicherung oder der Leistungserbringer eine Vertragsanpassung erforderlich machen. Bei einem allfälligen Missbrauch ist es an der Finma, als Aufsichtsbehörde einzuschreiten. In der Krankenzusatzversicherung und in der Versicherung der beruflichen Vorsorge muss jede Änderung der Versicherungsbedingungen von der Finma geprüft und genehmigt werden.
Wenn eine Anpassung der Versicherungsverträge nötig wird und die Versicherer diese nicht mehr mit einer einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen vornehmen dürfen, müssten sie sämtliche betroffene Verträge kündigen und gleichzeitig neue Verträge anbieten.
Ordentliches Kündigungsrecht
Ein wichtiges Anliegen des modernen Kundenschutzes ist ein ordentliches Kündigungsrecht, damit Versicherungskundinnen und -kunden auch aus Verträgen mit langer Laufzeit aussteigen können. Weil das Versicherungsvertragsgesetz Privatrecht ist, gilt das ordentliche Kündigungsrecht folglich auch für die Versicherer.
Die Gefahr steigt, dass die Krankenversicherer das ordentliche Kündigungsrecht missbrauchen, um schlechte Risiken und Bestände mit älteren Versicherten in der Krankenzusatzversicherung loszuwerden. Diese haben dann kaum eine Chance, eine neue Zusatzversicherung abzuschliessen.
Falsch: Im Bereich der Krankenzusatzversicherung ist ein freiwilliger Kündigungsverzicht der Versicherer schon heute marktüblich. Falls die Versicherer den freiwilligen Kündigungsverzicht dennoch aufheben wollten, müssten sie diese Anpassung der Vertragsbedingungen der Finma zur Genehmigung vorlegen.
Wichtig zu wissen ist, dass die Krankenversicherer die obligatorische Krankenversicherung nicht kündigen dürfen. Hier gilt ein Kündigungsverbot. Davon zu unterscheiden ist die Krankenzusatzversicherung. Sie ist freiwillig und untersteht dem Privatrecht.
Teilbarkeit der Prämie
Die Teilbarkeit der Prämie behandelt die Frage der Rückerstattung von schon einbezahlten Prämien, wenn der Versicherungsvertrag vorzeitig aufgelöst wird.
Endet ein Vertrag, ist die Restprämie dem Versicherten zurückzuerstatten. Es ist ungerechtfertigt, dass der Versicherer die Restprämie behält, jedoch kein Risiko mehr trägt.
Richtig: Doch der Versicherer muss schon heute die Restprämie bei vorzeitigem Vertragsende zurückerstatten – ausser in zwei Ausnahmefällen. Die Revision des VVG sieht keine Anpassung dieser Regelung vor. Die zwei Ausnahmefälle sind die Folgenden:
1. Bei einem Totalschaden zahlt der Versicherer die vereinbarte Entschädigung. So erhält der Versicherte etwa bei einem Autodiebstahl ein neues Fahrzeug. Damit hat er die Gegenleistung für seine Prämie bezogen.
2. Bei einem Teilschaden und anschliessender Kündigung durch den Kunden im ersten Vertragsjahr darf der Versicherer die Prämie ebenfalls einbehalten. Damit amortisiert der Versicherer die Kosten, die für ihn bei Vertragsbeginn entstehen, zumindest teilweise (zum Beispiel Kosten für Risikoprüfung, Verfassen des Vertrags, etc.).