Versicherer als Rüstungsfinanzierer? Warum sich ein Stabilitätsanker nicht für spontane Manöver eignet
SVV-Chefökonom Jan Schüpbach über die Risiken politischer Eingriffe in die Investitionsstrategien von Versicherern.
Mit dem Amtsantritt von Donald Trump zog ein Sturm über dem Atlantik auf: Das abrupte Hin und Her bei den Zolldrohungen, drastische Kürzungen in der internationalen Zusammenarbeit und spontane Besuche in Grönland zeugen von einem protektionistischen Kurs und der Abkehr von multilateralen Strukturen. Umso bedrohlicher erscheint der Elefant im Raum: Würde Trump die NATO-Staaten im Ernstfall wirklich sich selbst überlassen?
In dem Masse, wie in Europa die sicherheitspolitische Unsicherheit steigt, wächst auch der Tatendrang. Verteidigungsetats werden in Rekordzeit aufgestockt, Strategiepapiere neu geschrieben – was fehlt, sind verlässliche Finanzierungsquellen.
Immer häufiger geraten dabei im europäischen Kontext auch die Privatversicherer ins Visier: Neben historisch hohen staatlichen Verschuldungsprogrammen sollen zunehmend auch private und institutionelle Vermögen mobilisiert werden. In Frankreich etwa sollen künftig auch Einlagen aus Volkssparbüchern in Rüstungsunternehmen investiert werden. Deutschland, Grossbritannien und die Niederlande erwägen, Pensionskassenvermögen für den Verteidigungssektor zugänglich zu machen.
Langfristige Investoren statt kurzfristige Nothelfer
Mit Kapitalanlagen von über einer halben Billion Franken mögen die von den Schweizer Versicherern verwalteten Vermögen manchen Politikern wie ein sicherer Tresor erscheinen, den man in der Not eben kurz öffnen kann. Doch genau das wäre ein gefährliches Signal.
Denn Versicherer sind keine Notfinanzierer. Sie sind langfristige Investoren mit einem klaren Auftrag: Risiken absichern, Stabilität bieten, Sicherheit finanzieren – und zwar für die Versicherten, nicht für den Staat.
Ihre Anlagestrategien folgen daher nicht dem politischen Tagesgeschehen, sondern sind auf Jahrzehnte ausgelegt. Die Sicherheit der Anlagen hat hohe Priorität und die Anlageallokation erfolgt nach gesetzlichen und internen Vorgaben. Die individuellen Anlagerichtlinien legen langfristige Kriterien fest, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit, Rendite, Risikodiversifikation, Liquidität, Nachhaltigkeit und ethischer Verantwortung sicherstellen.
Kapitalflüsse dürfen nicht politisch gelenkt werden
Wenn die Politik in einzelnen Ländern nun laut darüber nachdenkt, Investitionen in Rüstungsunternehmen zu fordern, spielt sie mit dem Feuer. Nicht weil Sicherheit nicht wichtig wäre. Sondern weil eine politische Lenkung von Kapitalflüssen einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen würde.
Was heute mit guter Absicht beginnt, kann morgen in einem undurchsichtigen Flickenteppich aus staatlich verordneten Anlagequoten, politisch motivierten Ausschlusskriterien und einer untergrabenen Glaubwürdigkeit der Finanzbranche enden.
Gerade in geopolitisch unsicheren Zeiten braucht es stabile und verlässliche Märkte. Diese entstehen nicht durch dirigistische Eingriffe, sondern durch Vertrauen, klare Regeln und unternehmerische Eigenverantwortung.
Freie Anlagestrategien stärken die wirtschaftliche Resilienz
Die Versicherer leisten einen entscheidenden Beitrag zur finanziellen Widerstandsfähigkeit der Schweiz. Indem sie Risiken wie Naturkatastrophen oder Cyberangriffe abdecken und Infrastrukturprojekte finanzieren, entlasten sie Unternehmen, Privatpersonen und den Staat, der sich so auf seine Kernaufgaben wie zum Beispiel die Landesverteidigung konzentrieren kann.
Zudem stärken sie das Vorsorgesystem: In der zweiten Säule bieten die Versicherer verschiedene Versicherungslösungen an, in der dritten Säule ermöglichen private Vorsorgeprodukte den Aufbau von zusätzlichem Kapital und entlasten damit das umlagefinanzierte AHV-System.
Diese Funktionen können die Versicherer aber nur erfüllen, wenn ihre Anlagestrategien frei von politisch und moralisch motivierter Einflussnahme bleiben. Jede Vorgabe, in bestimmte Branchen zu investieren – sei es Rüstung oder Green Tech –, schwächt die Risikostreuung, senkt die Rendite, erhöht die Volatilität und untergräbt das Vertrauen der Versicherten.
Versicherer sind ein aktiver Teil der Gesellschaft, sie handeln jedoch langfristig, unabhängig und berechenbar. Diese Stabilität ist gerade in unsicheren Zeiten von unschätzbarem Wert für die Resilienz einer Gesellschaft.
Durchhalten statt mitlaufen – Stabilität braucht Eigenverantwortung
Die Versuchung ist gross, in Krisenzeiten nach jedem Strohhalm zu greifen. Doch wer das stabile Fundament der Versicherungswirtschaft für kurzfristige politische Zwecke instrumentalisiert, sägt am Ast, auf dem die Wirtschaft sitzt.
Die Schweiz hat sich in der Vergangenheit durch kluge Zurückhaltung und ein ausgeprägtes Bewusstsein für Stabilität ausgezeichnet. Lassen wir uns nicht vom internationalen Aktivismus anstecken. Unsere Stärke liegt nicht im Mitlaufen, sondern im Durchhalten. Deshalb gilt: Kein Zwang, keine Quote. Sondern: Stabilität durch Eigenverantwortung – gerade dann, wenn die Welt um uns herum ins Wanken gerät.
Dieser Kommentar ist am 15.04.2025 auf HZ Insurance erschienen.