Sotomo-Studie: Erdbeben werden in der Schweiz unterschätzt
Erdbeben kommen in der Schweiz eher selten vor, können aber sehr grosse Schäden verursachen. Wie hoch schätzt die Schweizer Bevölkerung das Schadenspotenzial von Erdbeben ein? Stimmt diese Einschätzung mit der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit für grosse Schadensereignisse überein? Und wie werden mögliche Lösungsansätze für eine bessere Absicherung gegen Erdbebenschäden bewertet?
Um diese Fragen zu beantworten, hat der Schweizerische Versicherungsverband SVV Sotomo mit einer Bevölkerungsbefragung beauftragt. Die Ergebnisse zeigen, dass trotz der grossen Bedeutung einer finanziellen Absicherung gegen Erdbebenschäden nur ein kleiner Teil der Eigentümerinnen und Eigentümer versichert ist. Einer der Hauptgründe für diese Diskrepanz ist, dass das Erdbebenrisiko von der Bevölkerung deutlich unterschätzt wird.
Die Wahrscheinlichkeit für starke und mittelstarke Erdbeben in der Schweiz wird deutlich unterschätzt
Obwohl ein starkes Erdbeben mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent innerhalb der nächsten 50 Jahre auftreten kann, schätzen rund sieben von zehn Personen das Risiko für ein solches Beben kleiner als 30 Prozent ein. Auch die Wahrscheinlichkeit für ein mittelstarkes Erdbeben wird unterschätzt: Während die tatsächliche Wahrscheinlichkeit für ein solches Beben in den nächsten 50 Jahren rund 80 Prozent beträgt, schätzt nur eine von zehn Personen das Risiko in etwa realistisch ein.
Diskrepanz zwischen der Bedeutung einer finanziellen Absicherung und der tatsächlichen Versicherungsrate
Nur etwa 15 Prozent der Hauseigentümerinnen und -eigentümer in der Schweiz haben eine Versicherung gegen Erdbebenschäden abgeschlossen. Gleichzeitig schätzen jedoch 75 Prozent der Bevölkerung die finanzielle Absicherung gegen Erdbebenschäden grundsätzlich als sehr oder eher wichtig ein. Es gibt also eine Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Einschätzung der Bedeutung von finanzieller Absicherung und den tatsächlichen Handlungen. Die am häufigsten genannten Gründe, weshalb Wohneigentümerinnen und-eigentümerkeine Versicherung abgeschlossen haben, sind die Einschätzung, dass Erdbeben zu selten sind, um eine Versicherung zurechtfertigen sowie die Überzeugung sogar im Falle eines Erdbebens selbst nicht betroffen zu sein.
Eventualverpflichtung oder obligatorische Erdbebenversicherung als mögliche Lösungen
Als mögliche Lösungsansätze für die tiefe Versicherungsrate werden in der Schweizer Politik sowohl die Einführung einer Eventualverpflichtung als auch eine obligatorische Versicherungslösung diskutiert. Die Eventualverpflichtung sieht vor, dass alle Hauseigentümerinnen und-eigentümer im Falle eines schweren Erdbebens eine einmalige Abgabe leisten, anstatt regelmässige Prämien zu zahlen. Befürworter heben die flächendeckende Absicherung und die Solidarität hervor, während Kritiker auf mögliche Fehlanreize, Umsetzungshürden, Unvollständigkeit und die mögliche krisenverschärfende Wirkung einer solchen Abgabe hinweisen. Obwohl die finanzielle Absicherung durch eine Eventualverpflichtung mit 51 Prozent leicht besser eingeschätzt wird als eine klassische, freiwillige Versicherungslösung, bevorzugt die Bevölkerung unter dem Strich eine klassische Versicherung (46%) gegenüber einer Eventualverpflichtung (33%). Eine obligatorische Erdbebenversicherung findet hingegen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung klar oder eher sinnvoll.
Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, dass die Thematik noch wenig in der öffentlichen Wahrnehmung verankert ist. Sowohl für Befürworterinnen und Befürworter als auch für Gegnerinnen und Gegner der verschiedenen politischen Ansätze steht daher erhebliches Potenzial, die öffentliche Debatte zu gestalten und die Bevölkerung über die Risiken und Absicherungsmöglichkeiten aufzuklären.