Zukunftsfähige Versicherungsregulierung
Kapitel
Innovation fördern, Sicherheit optimieren
Das Parlament behandelt die Teilrevision des Versicherungsaufsichtsrechts. Monica Mächler, Verwaltungsrätin der Zurich Insurance Group AG, und Nina Arquint, Chief Risk Officer Corporate Solutions bei Swiss Re, sprechen über die Anforderungen an eine zukunftsfähige Versicherungsregulierung.
Was muss eine zukunftsfähige Versicherungsregulierung leisten?
Monica Mächler: Wie der Markt hat sich auch die Versicherungsaufsicht grossen Herausforderungen zu stellen. Wir bewegen uns noch immer in einem tiefen Zinsumfeld mit Aufwärtsbewegungen. In diesem Kontext gilt es, Resilienz betreffend Kapital und Liquidität und qualitative Anforderungen zu wahren. Weiter ist es erforderlich, ausgewogene Methoden zum Umgang mit technologischem Fortschritt zu entwickeln, um Innovation zu ermöglichen, aber Risiken zu begrenzen. Auch ist der geeignete Umgang mit den Wirkungen des Klimawandels zu definieren. Und – last, but not least – sind eine Fokussierung auf das Wesentliche sowie eine Steigerung der Effizienz der Regulierung und der Aufsicht wichtig.
Nina Arquint: Ergänzend dazu sollte eine zukunftsfähige Versicherungsregulierung erlauben, sich rasch an Veränderungen anpassen zu können, weshalb eine prinzipienbasierte Regulierung vorteilhaft ist. Zudem ist es wünschenswert, dass die schweizerische Versicherungsregulierung international anerkannt ist. Das ist eine Voraussetzung, damit schweizerische Rück- und Erstversicherungsunternehmen mit internationaler Tätigkeit von einer möglichst effizienten Gruppenaufsicht profitieren können.
Monica Mächler ist Verwaltungsrätin der Zurich Insurance Group AG und der Zürich Versicherungsgesellschaft AG. Bis September 2012 war sie als Vizepräsidentin des Verwaltungsrats der Finma tätig, nachdem sie 2007 und 2008 das Bundesamt für Privatversicherungen geleitet hatte.
Muss sich die Schweiz an den Regulierungen im Ausland orientieren?
NA: Wenn die Schweiz auch in Zukunft zu den führenden Finanzplätzen gehören und international tätige Versicherungsunternehmen unterstützen will, ist dies aus meiner Sicht unabdingbar. Idealerweise orientiert sich die Schweiz nicht nur an internationalen Regulierungen, sondern wirkt aktiv bei deren Ausgestaltung mit.
MM: Besonders im internationalen Standardsetting ist es wichtig, dass sich die schweizerischen Behörden aktiv einbringen. Zudem sind die schweizerische und die ausländische Regulierung – besonders im nahen Ausland – regelmässig zu vergleichen, denn auf längere Frist ist eine Entwicklung in einem ähnlichen Korridor unvermeidbar, sonst entstehen unerwünschte Arbitrageeffekte.
Nina Arquint ist Chief Risk Officer Corporate Solutions bei Swiss Re und präsidiert den Ausschuss Rückversicherung des SVV. Bis Ende 2014 war sie Mitglied der Geschäftsleitung der Finma und leitete den Geschäftsbereich Strategische Grundlagen.
Wie kann eine Regulierung Sicherheit garantieren und gleichzeitig Innovation ermöglichen?
MM: Realistische Ziele können sein: Innovation ist zu begrüssen und zu fördern, Sicherheit zu optimieren und die Folgen eines Scheiterns sollten die Versicherten nicht beeinträchtigen. Die Aufsicht sollte daher den Freiraum zur Verwendung neuer Techniken nicht einschränken oder behindern, aber darauf achten, dass die Versicherungsunternehmen das erforderliche Risikomanagement aufweisen.
NA: Ich erwarte, dass sich die Leistung «Versicherung» über die nächsten Jahre stark ändern wird. Versicherung wird immer mehr bedürfnisabhängig und eingebettet in andere Produkte und Dienstleistungen abgeschlossen werden. Die Sicherheit ist in erster Linie Aufgabe der Versicherungsunternehmen selbst – das Vertrauen der Versicherten ist ein hohes Gut für jeden Versicherer. Die Versicherungsregulierung sollte die Verantwortung der Versicherungsunternehmen unterstützen.
Und wie lassen sich angemessene Kapitalanforderungen bestimmen?
NA: Bei der Festlegung der regulatorischen Kapitalanforderungen ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Versichertenschutz und Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Der Schweizer Solvenztest hat sich insgesamt als Konzept bewährt.
MM: Die Risikosensitivität bei der Bestimmung der Kapitalanforderungen ist eine grosse Errungenschaft des Swiss Solvency Test, von Solvency II und des International Capital Standards (ICS), den die International Association of Insurance Supervisors (IAIS) entwickelt. An dieser Ausgangslage ist festzuhalten. Die Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, dass Kapitalpolster einen grossen Wert haben.
Welchen Nutzen bringt eine Differenzierung der Schutzbedürftigkeit der Kunden?
MM: Wer Schutz braucht, soll ihn in genügendem Mass erhalten. Für Kunden mit einer höheren Risikotoleranz, etwa in der Rückversicherung und im Firmenkundengeschäft, kann indessen auf gewisse Schutzmechanismen verzichtet werden. Dies erlaubt es, Produkte effizienter und billiger zu offerieren.
NA: Mit einer Differenzierung der Kundenschutzbedürfnisse wird die Regulierung und Aufsicht risikobasierter. Mit dem Wegfall des gebundenen Vermögens für professionelle Versicherungsnehmer wird zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesteigert.
Deshalb soll in der Rückversicherung eine erleichterte Aufsicht gelten?
NA: Der SVV setzt sich bei der Teilrevision des VAG dafür ein, dass der geringeren Schutzbedürftigkeit und den Besonderheiten des globalen Geschäftsmodells von Rückversicherern mehr Beachtung geschenkt werden. Diese Forderung ist sachgerecht, da es sich bei den Rückversicherungskunden um Erstversicherungsunternehmen handelt, die sich auf Augenhöhe mit dem Rückversicherer bewegen.
MM: Rückversicherung als Geschäft unter geschäftserfahrenen Parteien erfordert nicht dieselbe Intensität der Regulierung. Allerdings braucht es ein solides Grundgerüst, meines Erachtens in geeignetem Umfang auch für Zweigniederlassungen ausländischer Rückversicherer in der Schweiz.
NA: Ich sehe das auch so und bin der Meinung, dass eine erleichterte Aufsicht möglich sein sollte, wenn die Muttergesellschaft im Ausland einer angemessenen Aufsicht wie bei Solvency II untersteht.
Weshalb ist die Frage der Firmensanierung von Bedeutung?
MM: Kommen Versicherungsunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, gilt es die beste Lösung für die Versicherten zu finden.
NA: Derzeit gibt es keine Sanierungsmöglichkeit für Versicherungen. Mit dem Sanierungsrecht wird eine Alternative zum Konkurs geschaffen, sofern die Versicherten und Gläubiger dadurch nicht schlechtergestellt werden.
MM: Mit einer Sanierung können etwa – sofern es gelingt, genügend Mittel oder Partner zu mobilisieren – Lebensversicherungsverträge oder Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung weitergeführt werden. Dieser Ansatz ist einem Konkurs mit Auflösung der Versicherungsverträge oft vorzuziehen.
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