92 Prozent weniger Hochwasserschäden dank Prävention
Naturereignisse richten auch in der Schweiz immer wieder Zerstörung an. Dabei verursachen Überschwemmungen die grössten wirtschaftlichen Schäden. Was die Schweiz in Sachen Hochwasserschutz unternimmt, wie sie mit Präventionsmassnahmen Risiken vermindert und zur Schadenreduktion beiträgt, das durften die Vertreterinnen und Vertreter der Rückversicherer des Schweizer Elementarschadenpools kürzlich aus erster Hand erfahren.
Mit gutem Schuhwerk, genügend Notfallproviant bis zum Abendessen und einer gesunden Portion Neugierde über den Bürotisch hinaus machten sich Anfang September 2022 rund 35 Vertreterinnen und Vertreter von 13 Rückversicherungs- und Brokerunternehmen des Schweizer Elementarschadenpools auf die Reise. Ziel war die Besichtigung der Hochwasserschutzprojekte rund um die Sihl, den Zürichsee und den Alpenrhein.
Viele von uns haben die Bilder der Flutkatastrophe von 2005 in der Schweiz noch im Kopf: Überschwemmungen im Berner Mattequartier, die Stadt Thun unter Wasser sowie die Hochwasser und Erdrutsche in der ganzen Zentralschweiz. Weniger bekannt ist, dass dies auch in Zürich hätte passieren können. Denn Zürich liegt auf dem Schwemmkegel der Sihl. Das bedeutet, dass bei einem Extremhochwasser das ganze untere Sihltal und die Stadt Zürich überschwemmungsgefährdet sind. Wäre also bei den Unwettern 2005 der grosse Niederschlag statt über dem Berner Oberland über dem Einzugsgebiet der Sihl niedergegangen, wären Teile der Zürcher Innenstadt, der Hauptbahnhof und grosse Teile des Limmattals überflutet worden.
Knapp einer Katastrophe entkommen: Jahrhunderthochwasser in Zürich am 23. August 2005.
(Quelle: Baudirektion Kanton Zürich, AWEL)
Deshalb hat der Kanton Zürich ein Interesse daran, den Hochwasserschutz laufend zu verbessern. Wie das geschehen soll, war das Thema der ersten zweitägigen Veranstaltung «Elementarschadenprävention in der Schweiz», die kürzlich gemeinsam vom Elementarschadenpool, dem Schweizerischen Versicherungsverband SVV und dem Interkantonalen Rückversicherungsverband IRV für die gemeinsamen Rückversicherer organisiert wurde.
Weltweit einzigartig: die Elementarschadenversicherung
Naturkatastrophen können zu enorm grossen Schäden führen. Sie lassen sich nur dann zu angemessenen Prämien versichern, wenn sich sowohl die Versicherten als auch die Versicherer solidarisch verhalten und das Risiko gemeinsam tragen. Das Konzept der Elementarschadenversicherung beruht daher auf einer doppelten Solidarität, bei der sowohl die Versicherten als auch die Versicherungen das Risiko von Naturgefahren gemeinsam tragen. Dabei werden insgesamt neun Elementargefahren gedeckt – darunter Überschwemmung, Sturm und Hagel.
Dank dem in seiner ursprünglichen Form bereits 1936 gegründeten Elementarschadenpool ist es möglich, Elementarschäden mit einer für alle Versicherungsnehmer tragbaren Einheitsprämie zu versichern und die Schäden unter den im Pool zusammengeschlossenen Mitgliedsgesellschaften auszugleichen. Zwischen 1970 und 2021 übernahmen die im Elementarschadenpool zusammengeschlossenen Privatversicherer Sachschäden in der Höhe von rund 7 Milliarden Franken.
Der Elementarschadenpool dient aber nicht allein dem Schadensausgleich unter den Gesellschaften – er ist auch verantwortlich für den gemeinsamen Einkauf von Rückversicherungen mit einem Deckungsumfang von gesamthaft 1,1 Milliarden Franken. Viele der sich daran beteiligenden Rückversicherungen konnten an dem hier beschriebenen Anlass teilnehmen.
Zum Programmauftakt an der Sihl in Zürich gab es eine Portion Theorie mit konkretem Praxisbezug. Dr. Jan Kleinn von Kleinn Risk Management und dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF zeigte in seiner Präsentation zum Thema «Risikobasierter Hochwasserschutz Zürich» auf, wie die Hochwasserschutzmassnahmen an der Sihl in Zürich den zu erwartenden Jahresschaden von 67 Millionen Franken auf 5 Millionen Franken reduzieren – was einer Schadenreduktion von 92 Prozent entspricht. Bei einem Hochwasserereignis, das im Schnitt einmal alle 100 Jahre eintritt, verringert sich der Schaden von 2,6 Milliarden Franken auf rund 18 Millionen Franken.
Tunnelunterquerung beim Hauptbahnhof Zürich
Gestärkt mit Kaffee und leicht überzuckert durch ein übergrosses Dessert-Brownie ging es nach dem theoretischen Teil raus an die frische Luft und an der warmen Spätsommersonne zu Fuss entlang der Sihl in Richtung Hauptbahnhof. Die Führung zum Hochwasserschutz leitete Matthias Oplatka vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL). Mit seinem enormen Wissensschatz und der ansteckenden Begeisterung für seine Arbeit – er wusste unzählige Anekdoten zu erzählen – hielt er die Konzentration und das Interesse der fast 40-köpfigen Gruppe über zwei Stunden hoch. Dabei war sich auch niemand zu schade, über den Zaun zu steigen und sich bei der Tunnelunterquerung unter dem Hauptbahnhof die Schuhe schmutzig zu machen. Im Gegenteil – die Stimmung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern war ausgelassen. Viele genossen sichtlich die Abwechslung zum (theoretischen) Büroalltag.
Zaunklettern inklusive: der Sihl entlang zur Besichtigung der Hochwasserschutzmassnahmen.
In der Theorie ist vieles planbar...
Dass Hochwasserschutz in der Realität mehr umfasst als das Ingenieurdenken, bei dem man klassischerweise über einem Problem brütet, es berechnet, modelliert und eine Lösung ausarbeitet, wurde den Teilnehmenden unverblümt vor Augen geführt.
«Menschen verhalten sich während Katastrophen wie Naturereignissen oft irrational. Das beobachten wir sogar bei Einsatzkräften», sagt Matthias Oplatka, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL).
«Feuerwehrleute haben ihre Mission vor Augen – etwa, bei einem Hochwasser noch unbedingt etwas retten zu wollen. Dabei kommt es immer wieder zu tragischen Personenschäden, bei denen Einsatzkräfte ums Leben kommen, weil sie sich der Kraft und Gefahr der Wassermassen zu wenig bewusst sind», erläuterte Matthias Oplatka.
Nadelöhr Hauptbahnhof Zürich: Ohne Schutzmassnahmen würde die Sihl bei Extremregen über die Ufer treten.
Die Erkenntnis daraus? Hochwasserschutzprojekte sind zu komplex, als dass man sie im Büro vollumfänglich erfassen könnte. Es braucht den Bezug zur Praxis und den Austausch mit allen involvierten Akteuren auf Augenhöhe. «Dazu gehört die Polierin auf der Baustelle genauso wie der Baustellenleiter und der Obdachlose unter der Brücke», betont Oplatka. «Das Gewässer lebt. Man muss raus, und zwar bei jedem Wetter, mit vielen Leuten reden und sich die Hände schmutzig machen.» Kundennähe schaffen, würde man dies im Versicherungsjargon nennen.
Nahe am Geschehen: «Das Gewässer lebt. Deshalb muss man bei jedem Wetter raus», so Matthias Oplatka, Leiter vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL).
Das Schadenpotenzial von Naturereignissen nimmt zu
Der anhaltende Bauboom in der Schweiz, der zunehmende versicherte Wertbestand und der Klimawandel führen dazu, dass sich das Risiko bei Naturereignissen in Zukunft verstärken wird. In der Schweiz verursachen Überschwemmungen und Stürme die grössten wirtschaftlichen Folgen, während Hitzewellen, Lawinenniedergänge und Erdrutsche sowie Felsstürze zu den meisten Todesfällen führen.
Auch in der Stadt Zürich ist seit dem Extremhochwasser im Jahr 1910 viel gebaut worden. Eine der grössten Herausforderungen in der Hochwasserprävention in der Stadt Zürich ist die Notfallplanung der Baustellen. Zwar brauchen Baustellen eine Bewilligung, doch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) hat längst nicht Kenntnis von allen Baustellen und erhält nicht alle Konzepte und Kontaktlisten. Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl die Mitarbeitenden auf Baustellen als auch diejenigen im ShopVille unter dem Hauptbahnhof im Durchschnitt nur ein Jahr an ihrer Stelle bleiben. Das bedeutet, dass Wissen rund um die Prävention und das Verhalten im Krisenfall nur sehr schlecht aufrechterhalten werden kann, und immer wieder neu geschult werden muss. «Bauarbeiter müssen wissen, bis wann man baulich noch etwas bewirken kann, zum Bespiel mit einem Bagger einen Damm aufschütten. Und wann es Zeit ist, sich und seine Kolleginnen und Kollegen mitsamt dem Material in Sicherheit zu bringen», so Oplatka.
Statistisch gesehen könnten die Sihl und die Limmat etwa alle 100 Jahre über die Ufer treten. Je nach Ausmass wären 1500 bis 3600 Gebäude betroffen.
Dabei wird das Sachschadenpotenzial auf 6,7 Milliarden Franken geschätzt. Daneben entstünden Kosten durch Betriebsunterbrüche und zerstörte Infrastruktur. Damit es nicht zu Schäden in diesem Ausmass kommt, werden weiter oben im Sihltal dem Fluss entlang Hochwasserschutzmassnahmen ergriffen.
Gotthard-Maschine für Wasserumleitung in den Zürichsee
Dorthin ging die weitere Reise, dieses Mal mit dem Bus nach Langnau am Albis. Matthias Oplatka führte die Gruppe zur Baustelle des Entlastungsstollens Sihl-Zürichsee. Bei einem Hochwasser wird durch diesen Entlastungsstollen Wasser aus der Sihl in den Zürichsee abgeleitet. Eine imposante Baustelle: Hier entsteht eine riesige Röhre mit einem Durchmesser von über sieben Metern – das entspricht etwa einer zweispurigen Strasse. Für das Bauprojekt wird nichts weniger als die grösste Tunnelbohrmaschine genutzt. Diese ist im Moment noch beim Bau des Sicherheitsstollens beim Gotthardstrassentunnel im Einsatz und soll sich ab Frühling 2024 von der Sihl Richtung Zürichsee vorarbeiten. Die Tunnelbohrmaschine ist 170 Meter lang, hat einen Durchmesser von über sieben Metern und wiegt satte 1’100 Tonnen.
40 Lastwagen voll: Der Schwemmholzrechen bei Langnau am Albis hat im Hochwassersommer 2021 500 Kubikmeter Material abgefangen.
Schwemmholzrechen verhindert Überflutungen am HB Zürich
Mit dem Rücken zur Baustelle und dem Blick nordwärts auf die Sihl gerichtet, stechen einem eine lange Reihe übermenschlich grosser Stäbe ins Auge. Diese stehen in Reih und Glied, um eine Flusskurve der Sihl abzutrennen, die entlang der Durchgangsstrasse verläuft. Bei Hochwasser wird das Schwemmholz durch die Fliehkraft des Wassers in die Kurvenaussenseite transportiert und landet so in einem angelegten Rückhalteraum. Danebenstehend fühlt man sich richtiggehend klein und unbedeutend – und kann die Kraft des Wassers und das Ausmass des angeschwemmten Materials bei Hochwasser nur erahnen. Die 68 Stäbe sind bis viereinhalb Meter hoch und haben einen Durchmesser von rund einem halben Meter.
68 Stäbe: Der Schwemmholzrechen verhindert Verstopfungen weiter flussabwärts unter dem Hauptbahnhof Zürich.
Vor der Inbetriebnahme des Schwemmholzrechens wäre es bei Extremhochwasser zu Verstopfungen unter dem Hauptbahnhof Zürich gekommen, und die Sihl hätte grosse Gebiete überfluten und immensen Schaden anrichten können.
Seine Funktion hat der Schwemmholzrechen denn auch im Hochwassersommer 2021 eindrücklich demonstriert: Dabei wurden etwa 500 Kubikmeter Holz – Baumstämme, Äste, Sträucher und Feinmaterial – abgefangen. Das entspricht etwa 40 Lastwagen voll Material. Der Schwemmholzrechen vermag insgesamt bis zu 12'000 Kubikmeter Holz zurückzuhalten.
Hagelschnelltests an der OST in Rapperswil
Nach dem Spaziergang entlang des Sihl-Schwemmholzrechens nahm die Gruppe der Rückversicherer wieder im Bus Platz und fuhr zur Ostschweizer Fachhochschule OST nach Rapperswil. Dort steht eine Hagelbeschussanlage, mit der Hageltests oder sogenannte Hagelwiderstandsprüfungen an diversen Materialien durchgeführt werden können.
Nach Hochwasser, Überschwemmungen und Stürmen verursacht Hagel in der Schweiz die grössten Schäden an Gebäuden und Fahrhabe, also an beweglichen Sachen, die nicht als Gebäudebestandteile oder bauliche Einrichtungen gelten. Hagel kommt häufig vor und ist dabei – im Gegensatz zu anderen Naturgefahren – ein sehr kleinräumiges Wetterphänomen.
Bei Hagelkorngrössen von über drei Zentimetern entstehen oft erhebliche Schäden an Gebäuden.
Durch die entsprechende Dicke der Materialien können Hagelschäden an Dächern oder Fensterläden begrenzt oder vermieden werden. Die Hochschule stellt die Hagelkörner mit unterschiedlichen Durchmessern vor Ort gleich selbst her.
Hageltests: Mit der Hagelbeschussanlage an der Fachhochschule Rapperswil werden Materialien getestet.
Wie diese Hagelschnelltests funktionieren, demonstrierten die Mitarbeitenden der technischen Hochschule live – und schossen mit der Hagelbeschussanlage unterschiedlich grosse Eiskugeln auf Holz, Ziegel und Blech. Vom Lärm durch den Aufprall und dem Zersplittern der Eiskugeln wurde man definitiv aus einem etwaigen Nachmittagstief gerissen!
Hagelkörner aus dem Labor: Die Eiskugeln für Hagelschnelltests werden vor Ort hergestellt.
Alain Marti und Markus Imhof vom Interkantonalen Rückversicherungsverband IRV und von der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) gaben zudem einen vertieften Einblick in die unterschiedlichen Präventionsmassahmen der kantonalen Gebäudeversicherungen. Kommt es zu einem Hagelereignis, muss alles sehr schnell gehen. Oft bleibt nicht einmal Zeit, um Storen hochzuziehen, Läden zu schliessen oder das Auto in die Garage zu fahren. Deshalb lohnt sich die Prävention: vor einem Gewitter Gartenmöbel und Topfpflanzen in Sicherheit zu bringen und beim Immobilienkauf oder Umbau in die richtigen Materialien investieren.
Prävention lohnt sich: Markus Imhof, Bereichsleiter Naturgefahren bei der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG), zu den Schutzmassnahmen.
Von Rapperswil fuhr die Gruppe weiter nach Widnau SG, wo sie nach einem gemeinsamen Abendessen im Hotel b-smart übernachtete. Am nächsten Morgen ging es los ins benachbarte Österreich, genauer gesagt nach Dornbirn.
Hochwasser und schwimmschwache Fische am Alpenrhein
Die erste Etappe des zweiten Tages führte zum Hochwasserschutzprojekt «Rhesi» in der Modellversuchshalle der Internationalen Rheinregulierung. Die beeindruckende Testanlage im Massstab 1:50 simuliert die Entwicklung des Gewässerbetts und Massnahmen zum Hochwasserschutz im St. Galler und Vorarlberger Rheintal – einem Gebiet, das 300'000 Menschen Lebensraum und Arbeitsplätze bietet. Bei einem Hochwasser wären insgesamt zwei Drittel von ihnen betroffen und das Schadenpotenzial liegt bei über 10 Milliarden Franken.
Au-Lustenau: der Rhein an der schweizerisch-österreichischen Grenze heute.
(Quelle: Internationale Rheinregulierung)
Visualisierung: der Rhein nach Umsetzung der Hochwasserschutzmassnahmen im Rahmen des Projekts «Rhesi».
(Quelle: Internationale Rheinregulierung)
Das Schadenpotenzial hat durch die wirtschaftliche Entwicklung im Rheintal massiv zugenommen. Der heutige Standard der Schutzanlagen ist nur für ein 100-jährliches Hochwasser ausgelegt, mit einer Abflussmenge von 3100 Kubikmeter pro Sekunde. Mit der Umsetzung von «Rhesi» würde die Abflusskapazität auf 4300 Kubikmeter pro Sekunde erweitert werden. Das würde durch Vergrösserungen des Flussquerschnitts, die Sanierung oder den Neubau der Dämme und die Schaffung von Kiesentnahmestellen geschehen, was ein Ansteigen der Flusssohle verhindern würde.
Umweltschutz und Interessen der Bevölkerung vereinen
Die Projektleitung der Internationalen Rheinregulierung zieht in der Planung diverse Akteure und Interessenvertreter in einem partizipativen Prozess mit ein. Dabei sind Anliegergemeinden genauso vertreten wie der Fischereiverband, Umweltschützerinnen oder Freizeitorganisationen. Das Projekt ist aber nicht nur wegen seiner schieren Grösse komplex – es betrifft zwei Länder und 15 Gemeinden –, sondern auch, weil es sich auf die Trinkwasserversorgung auswirkt und Velowege, Brücken und Landwirtschaftsland betrifft.
Neben dem Ziel der Schadenverhinderung bei einem extremen Hochwasser wird das Projekt «Rhesi» den Rhein renaturieren.
Dabei profitiert die Artenvielfalt. Und schwimmschwache Fische, für die es Pausenstellen mit weniger starker Wasserströmung entlang von Einbuchtungen gibt, erhalten wieder einen Lebensraum.
130-jähriger Staatsvertrag
Die ursprüngliche Regulierung des 26 Kilometer langen Flussabschnitts ist im Staatsvertrag von 1892 zwischen der Schweiz und Österreich geregelt. Damit «Rhesi» umgesetzt werden kann, braucht es einen neuen Staatsvertrag – und dieser muss von den Parlamenten der beiden Länder genehmigt werden. Stand heute laufen die Verhandlungen. Finanziert werden soll das Projekt, dessen Kosten auf über eine Milliarde Franken geschätzt werden, je zur Hälfte von der Schweiz und von Österreich. In der Schweiz sollen 80 Prozent vom Bund und rund 20 Prozent vom Kanton St. Gallen übernommen werden.
«Bei einem so grossen und regional bedeutenden Projekt ist der Weg das Ziel», sagt Rhesi-Projektleiter Markus Schatzmann.
Aktuell befindet sich das Projekt in der Genehmigungsphase. Wenn alle Verfahren abgeschlossen und die Bewilligungen erteilt sind, dauert die Umsetzung rund 20 Jahre. Projektleiter Markus Schatzmann, der die Gruppe durch die Modellanlage führt, erklärt: «Wir wissen zwar nicht genau, wann wir tatsächlich mit dem Bau starten können, das hängt von den Verfahren ab. Aber bei einem so grossen und regional bedeutenden Projekt ist der Weg das Ziel. Und die Freude an dieser spannenden Aufgabe ist beim ganzen Team spürbar.»
Extremregen in Altstätten
Zurück über die Landesgrenze in der Schweiz war Altstätten SG die letzte Station der Reise. Dort gab Markus Imhof, Bereichsleiter Naturgefahren IRV, zum Abschluss eine Führung zu Fuss zu den Objektschutzmassnahmen entlang der Flüsse Stadtbach und Brendenbach. Altstätten wurde schon mehrfach von Überschwemmungen heimgesucht. Nach dem Extremregen im Jahr 2014 setzte die Gemeinde zahlreiche Hochwasserschutzmassnahmen um. Mit Erfolg: Bei einem vergleichbaren Niederschlagsereignis im Jahr 2017 konnte die Schadensumme von 6.7 Millionen Franken auf 210'000 Franken reduziert werden.
Aus der Praxis: eine lehrreiche Reise zu den Hochwasserschutzmassahmen entlang der Sihl.
Nach einer intensiven, lehrreichen und äussert praxisbezogenen Reise zu den Hochwasserschutzprojekten rund um die Sihl, den Zürichsee und den Alpenrhein zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bilanz: «Beeindruckt hat uns der vorbildliche Umgang mit dem Thema Hochwasserschutz in der Schweiz, die gute Kommunikation und die effiziente Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Kantonen, den Gebäudeversicherern und der privaten Versicherungswirtschaft. Wir konnten zahlreiche wertvolle Erkenntnisse für unsere Flutmodellierung in der Schweiz mitnehmen», betonte Robert Plantsch, Client Manager Switzerland von Munich Re. Thomas Meier, Geschäftsführer von Haakon AG in Basel, fügte hinzu: «Für uns als Broker waren die Einblicke extrem hilfreich und fördern das Verständnis für den Nutzen der Präventionsmassahmen.» Und eine sichtlich inspirierte Anna Ziswiler, Marktleiterin Schweiz bei Swiss Re, ergänzte: «Es war sehr eindrücklich zu sehen, wie viel wir in der Schweiz in Hochwasserschutzmassnahmen und Präventionsprojekte investieren und wie diese zur konkreten Schadensminderung beitragen.»
«Beeindruckt hat uns die gute Kommunikation und die effiziente Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Kantonen, den Gebäudeversicherern und der privaten Versicherungswirtschaft», sagt Robert Plantsch, Client Manager Switzerland von Munich Re
Eine weitere Erkenntnis, die haften bleibt: Die Arbeit im Bereich Hochwasserschutz ist unglaublich interdisziplinär. Am meisten lernt man, wenn man allen involvierten Parteien mit Offenheit und Neugierde begegnet und sich über Branchen, Hierarchien und Schichten hinweg gegenseitig austauscht. Dann können Ideen entstehen und Projekte gelingen. Um es in den Worten von Matthias Oplatka auszudrücken: «Wir müssen einander zuhören und Verständnis zeigen. So kann Innovation entstehen – und zwar dann, wenn Theorie und Praxis aufeinandertreffen.»