Was ändert sich mit dem revidierten VVG?
Die Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes VVG wurde vom Parlament am 19. Juni 2020 in der Schlussabstimmung angenommen und ist per 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Das Gesetz ist damit an die heutigen Anforderungen angepasst. Es stärkt die Rechte der Versicherten in vielerlei Hinsicht und ermöglicht eine dem digitalen Zeitalter angepasste Vertragsabwicklung. Darum geht es bei den neuen Regelungen:
1. Einführung eines Widerrufsrechts für die Versicherungsnehmer von 14 Tagen
Versicherte können innerhalb einer Bedenkfrist von vierzehn Tagen von ihrem Vertrag zurücktreten.
Was das in der Praxis heisst …
Eine Versicherte schliesst eine Motorfahrzeugversicherung ab. Ein paar Tage später ändert sie ihre Meinung. Sie kann sich ohne Verpflichtung aus dem Vertrag zurückziehen.
2. Ordentliches Kündigungsrecht nach drei Jahren für beide Vertragsparteien
Versicherte können auch bei Verträgen mit langer Laufzeit den Vertrag auf das Ende des dritten Jahres beenden. Damit werden auch «Knebelverträge» abgeschafft.
Was das in der Praxis heisst …
Ein Versicherter schliesst einen Vertrag für fünf Jahre ab. Nach drei Jahren kann er sich aber trotzdem zurückziehen. Er muss nicht die abgemachte Vertragsdauer von fünf Jahren abwarten.
3. Kein Kündigungsrecht der Krankenzusatzversicherer im Schadenfall
Das Kündigungsrecht im Schadenfall sowie das neue ordentliche Kündigungsrecht stehen nur den Versicherten zu. Diese neue gesetzliche Regelung widerspiegelt die heutige Praxis der Versicherungen.
Was das in der Praxis heisst …
Der Krankenzusatzversicherer darf nach einem Leistungsbezug den Vertrag nicht kündigen.
4. Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre
Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren neu erst fünf Jahre nach dem Schadenfall anstatt wie bisher nach zwei Jahren.
Was das in der Praxis heisst …
Der Versicherte kann seinen Anspruch bis zu fünf Jahre nach dem Eintritt des Ereignisses, welches die Leistungspflicht begründet (zum Beispiel den Bruch einer Glasscheibe), geltend machen.
5. Kompatibilität des VVGs mit dem elektronischen Geschäftsverkehr
Das revidierte Recht erleichtert den elektronischen Geschäftsverkehr, indem für Erklärungen oder Informationen im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag neu grossmehrheitlich die Textform möglich ist, die keine eigenhändige Unterschrift erfordert.
Was das in der Praxis heisst …
Neu ist neben der Schriftform (mit Unterschrift) auch eine Kündigungserklärung in Textform möglich, zum Beispiel per E-Mail.
6. Einführung eines allgemeinen direkten Forderungsrechtes für alle Haftpflichtversicherungen
Eine geschädigte Person kann damit ihre Ansprüche direkt bei der Versicherung des Schädigers geltend machen, obwohl der Versicherungsvertrag nicht mit der geschädigten Person, sondern mit dem haftpflichtigen Schädiger abgeschlossen wurde.
Was das in der Praxis heisst …
Der Geschädigte kann direkt die Haftpflichtversicherung des Schadenverursachers belangen. Wenn beispielsweise der Versicherte die Fensterscheibe seines Nachbarn mit einem Fussball einschlägt, kann der Nachbar neu seinen Anspruch direkt gegenüber der Versicherung des Fussballspielers geltend machen.
Das teilrevidierte Versicherungsvertragsgesetz ist per 1. Januar 2022 in Kraft getreten.
Sämtliche Anpassungen dieser Gesetzesrevision sind in der Synopse im Downloadbereich zu finden.