Ge­mein­sam und ko­ope­ra­tiv – 7 Ge­bo­te agi­ler Füh­rung

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Das Organisieren von Führung in der Digitalisierung bedeutet immer mehr, die Dinge gemeinsam und kooperativ zu gestalten. Für Mensch und Organisation werden die Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten sowie Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme immer wichtiger.

Bei Agilität geht es im Kern nicht um Speed, sondern um Beweglichkeit: Beweglichkeit des Unternehmens, um sich mit Marktdynamiken angemessen weiterentwickeln zu können und Beweglichkeit im Kopf aller Mitarbeitenden. Eben dieser Kopf ist ja bekanntlich rund, damit das Denken seine Richtung wechseln kann.

Die sieben (An-) Gebote agiler Führung sind Impulse für Führungskräfte und wurden von Prof. Dr. Christoph Clases an der STAPA vom 4. Mai 2017 formuliert. Jedes Watch Item verweist auf Merk-Würdigkeiten hierarchischer Organisationen. Angesprochen wird dabei natürlich nie ihr Unternehmen, sondern immer nur die anderen. Christoph Clases lehrt und forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz und ist Partner der AOC Unternehmensberatung.

1. Sinnhaftigkeit und Sinnbezug

Stellen Sie sich konsequent die Frage nach dem Sinn dessen, wie Sie sich tagtäglich organisieren und richten Sie das Führungssystem danach aus! Orientieren Sie ihr Tun und ihre Zusammenarbeit am Zweck der Tätigkeit («purpose»).

  • Watch Item: Wie sehr bedienen Sie tagtäglich routiniert die Selbstbeschäftigungsmaschinerie ihres Unternehmens, die wenig mit dem Markt, aber viel mit der Kompliziertheit ihrer hierarchischen Verklebungen zu tun hat?

2. Führung als vernetzte Teamarbeit

Führung ist letztendlich ein zutiefst kooperatives Geschehen; in den meisten Unternehmen immer noch unter dem leitenden Prinzip der Hierarchie. Agile Führung setzt auf vernetzte Teamarbeit und wechselnde Führungsrollen. Das ist der Game Changer: Führung wird keineswegs abgeschafft, sondern agil, indem das Führungssystem es erlaubt, kompetent wechselnde Rollen einzunehmen.

  • Watch Item: Wie sehr bedienen Sie das «heroische» Bild von Führung, dass immer einer sagen muss, wohin die Segel gesetzt werden? Mit diesem Denken ziehen alle den grossen und kleinen Kaisern in den Unternehmen ihre Kleider an.

3. Strukturelles Empowerment

Wenn Sie agile Führung etablieren wollen, dann geht es um strukturelles Empowerment. Das heisst, es wird nicht abhängig vom Gusto einer Führungskraft delegiert, sondern strukturell, qua Rollendefinition. Dann ist es entschieden! Nicht auf Basis von Status, sondern von Expertise.

  • Watch Item Wenn Sie Verantwortung strukturell delegieren, so lassen Sie bitte den Gedanken fallen, vielleicht hier und da situativ mal kurz andere übersteuern zu können. Strukturelles Empowerment lässt sich nur strukturell verändern oder abschaffen, nie situativ.

4. Lose Kopplung

Gestalten Sie vernetzte Teams mit jeweils möglichst grosser Unabhängigkeit voneinander und definieren Sie in den Teams Rollen, die für den inneren und äusseren Zusammenhalt Verantwortung übernehmen. Lassen Sie durch lose Koppelung Selbstorganisationsprinzipien spielen; das erzeugt tatsächlich Ordnung!

  • ​​​​Watch Item: Fallen Sie nicht immer wieder in die Versuchung zurück, möglichst viel mit AVKs regeln wollen. Das Einzige, was nun wirklich durch die Praxis immer wieder parodiert wird, ist der angebliche Dienst nach AVKs.

5. Zone der nächsten Entwicklung bestimmen

«Zukunft braucht Herkunft» (Odo Marquard). Reflektieren Sie, wo Sie stehen und welche Orte in ihrem Unternehmen reif für agile Führung sind. Das Klären einer Zone der nächsten Entwicklung zeigt auf, wozu und wohin gesprungen werden soll. Einen sanften Übergang wird es nicht geben. Es braucht Mut, Konfliktfähigkeit und – wie immer im Leben – das richtige Timing («kairos»).

  • Watch Item: Das Neue ist oft der Feind des Alten. Kennen Sie ihre «Yes-Butter», die das Ganze eigentlich ganz gut finden, aber Ihnen genau erklären werden, warum das in ihrem Unternehmen nun aber überhaupt nicht funktionieren wird? Welche Interessen da wohl im Spiel sind?

6. Erfahrung ermöglichen und bewerten

Ein gutes Prinzip für die Einführung agiler Führungssysteme stellt uns die «Philosphie-des-als-ob» (Hans Vaihinger) zur Verfügung. Tun Sie so, als wenn Sie eigentlich schon lange so arbeiten würden (das ist nämlich zum Teil tatsächlich der Fall). Führen Sie an vielen Orten genau so, als wären Sie schon überall am Ziel. So kommt man von falschen Prämissen zu gewünschten Ergebnissen.

  • Watch Item: Schaffen Sie konsequent Erfahrungsräume, in denen Selbstführung und Verantwortungsübernahme im Team möglich werden. Schauen Sie hin, was geschieht. Bewerten Sie es. Und ändern Sie es, wenn es Ihnen nicht gefällt.

7. Systemvertrauen

Agile Führung verteilt Autorität im Unternehmen neu. Die zentrale kulturelle Währung hierfür ist Systemvertrauen. Führung liegt heute in ihren grossen Zukunftsentwürfen oftmals schief; agile Führungssysteme wollen nicht die Zukunft vorwegnehmen, sondern sich auf Aspekte der Zukunft fokussieren, die kontrollierbar sind.

  • Watch Item: Jedes Unternehmen, jede Führungskraft bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen hoch relevantem Orientierungs- und Kontrollbedürfnis, kreativen Kontrollfantasien und latent pathologischem Kontrollwahn. Wo stehen Sie?