«Sich immer in den anderen Menschen hineinversetzen»
Ob Parkbusse, Nachbarschaftsstreit oder Kündigung: Rechtsschutzversicherungen bieten Unterstützung bei allen Fragen rund um rechtliche Probleme, denen man im Alltag begegnen kann. Beraterinnen und Berater müssen in kurzer Zeit Entscheidungen treffen, um für ihre Kunden Lösungen zu finden. Neben dem Fachwissen spielt die Kommunikation dabei eine Schlüsselrolle.
Ein volles Programm: Die «Fachtagung Rechtsschutzversicherung» zum Thema «Umgang mit schwierigen Situationen».
Rechtsschutzversicherungen bieten Privatpersonen die Möglichkeit, einen erleichterten Zugang zum Recht zu bekommen. Konkret Bei sich anbahnenden oder bestehenden Streitigkeiten bieten sie ihren Kundinnen und Kunden juristische Beratung an – und die Möglichkeit, einen Fall gegebenenfalls auch vor Gericht zu platzieren.
Kommt es zu einem Gerichtsfall, können schnell Kosten von mehreren Zehntausend Franken entstehen – Beträge, die sich kaum jemand leisten kann. «Eine Rechtsschutzversicherung schliesst man ab für den Fall, dass man bei einem Problem oder in einem Streitfall juristische Beratung benötigt, sich aber keinen Anwalt leisten kann oder die Notwendigkeit dafür zuerst abklären möchte», sagt Tanja Wilke, Fachverantwortliche Bereich Nichtleben beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV.
Rechtsschutzversicherungen bieten ein breites Spektrum an Beratungen für praktisch alle Fälle, die einem im Alltag begegnen können: Sei es bei Fragen zu einem Verkehrsübertritt, zu Nachbarschaftsstreitigkeiten oder zu einer Kündigung – ihre Kundinnen und Kunden können jederzeit anrufen und erhalten schnell und unbürokratisch eine Antwort.
Gute Nerven, Empathie und Kommunikationsfähigkeiten
So vielfältig die Themenbereiche aus Kundensicht sein können, so unterschiedlich sind sie auch für die Rechtsschutzversicherungsexpertinnen und -experten am anderen Ende des Telefons. Sie besitzen ein breites Fachwissen, um kompetent zu beraten, natürlich stets in Abstimmung mit Spezialistinnen und Spezialisten bei komplexeren Anliegen. Daneben brauchen sie gute Nerven, Einfühlungsvermögen und gute Kommunikationsfähigkeiten, um auf ihr Gegenüber einzugehen und konstruktive Lösungen zu finden.
Der Umgang mit schwierigen Situationen will gelernt sein
Letzteres sind Fähigkeiten, die unabhängig vom Fachthema gefordert sind. Die Bedeutung der Kommunikation und der Umgang mit schwierigen Situationen war denn auch das Thema der diesjährigen «Fachtagung Rechtsschutzversicherung», die am 30. Januar 2024 in den Räumlichkeiten der Bernexpo stattfand. Die rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von SVV-Mitgliedsunternehmen trafen sich zu einem intensiven Schulungstag mit spannendem Programm bestehend aus Referaten, Workshops und der Gelegenheit für Austausch und Networking.
Daniel Eugster, CEO der CAP Rechtsschutzversicherung, und Tanja Wilke, Fachverantwortliche Bereich Nichtleben beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV, eröffnen die «Fachtagung Haftpflichtversicherung».
Entscheiden unter Zeitdruck
Rechtsschutzversicherungsexpertinnen und -experten müssen täglich zahlreiche Entscheidungen treffen, und dies unter erheblichem Zeitdruck. Denn die Versicherten rufen an, weil sie ein Problem haben und möglichst schnell eine Lösung wünschen. Dabei sind immer Emotionen im Spiel. Insbesondere während der Coronakrise hat die Anzahl an hilfesuchenden Kundinnen und Kunden zugenommen. «Das Nervenkostüm ist dünner geworden. Das ist eine
Entwicklung, die anzuhalten scheint», sagt Tanja Wilke. «Die Juristinnen und Juristen wissen schlicht nicht, was sie erwartet, wenn sie den Telefonhörer abnehmen.» Dies stellt die Mitarbeitenden vor zusätzliche Herausforderungen.
Wie man mit solchen Situationen umgeht, weiss Andreas Koch alias «Die Pfeife». Der Jurist und ehemalige Eishockey-Schiedsrichter führt aus: «Wir fällen bessere Entscheide, wenn wir unser Gegenüber emotional abholen. Das bestätigt auch die Neurowissenschaft: Wir entscheiden nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen.»
Gemeinsame Herausforderungen: Juristen und Schiedsrichter sind beide mit schwierigen Situationen konfrontiert, sagt «Die Pfeife» Andreas Koch.
In 30 Sekunden Vertrauen aufbauen
Doch wie entscheidet man richtig, wenn man dafür nur 30 Sekunden Zeit hat? Nur so viel Zeit haben Expertinnen und Experten zur Verfügung, um in einem Telefongespräch Vertrauen aufzubauen. «Die eigene Stimmung ist der Schlüssel dazu. Wenn ich fokussiert bin, richtig zuhöre und mit dem Gegenüber eine Beziehung aufbauen kann, ist viel gewonnen», führt Andreas Koch aus. Dann können Kundinnen und Kunden so beraten werden, dass sie das Telefon mit einem guten Gefühl wieder auflegen.
In Kürze Vertrauen schaffen: Kommunikationstrainer und Schauspieler Stefan Häseli weiss wie.
Stimme und Wortwahl sind das A und O
Schauspieler und Kommunikationstrainer Stefan Häseli präsentierte Werkzeuge für die konkrete Umsetzung in der Kommunikation. Zentral dabei: Stimme und Wortwahl. «Der Tonfall und die Stimme muss mit den gesagten Worten übereinstimmen. Nur wenn die Stimme auch Verständnis vermittelt, kommt eine Botschaft an», betont er. Ganz am Anfang steht aber das Zuhören. «Zum Zuhören gehören auch Pausen. Dies gibt Ruhe in ein Gespräch», fügt er an.
«Wir müssen unseren Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe begegnen. Wenn man sich in die andere Partei hineinversetzen kann, kann man gemeinsam Lösungen finden», bekräftigt Hans-Peter Nehmer, Chief Communications Officer bei der Allianz Suisse, im Gespräch mit Daniel Eugster, CEO der CAP Rechtsschutzversicherung. Dies gelte für Juristen und Kommunikationsexperten gleichermassen.
«Es geht immer um Menschen»: CAP-CEO Daniel Eugster und Allianz-CCO Hans-Peter Nehmer im Gespräch.
Kommunikation und Reputation
Zuhören, sich in die Haut des Gegenübers versetzen, klare Worte finden – und sich trotzdem der eigenen Rolle bewusst sein, denn Mitarbeitende agieren immer im Auftrag des Unternehmens. Wie sie kommunizieren und somit diese Rolle wahrnehmen, hat wiederum Auswirkungen auf die Reputation. Der ehemalige Kommunikationsverantwortliche von Hotelplan und Cablecom Hans-Peter Nehmer weiss, wovon er spricht – er hat Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende in ausserordentlichen Krisensituationen betreut und beraten. Auf den grössten Kommunikationsfehler angesprochen, den man machen kann, sagt er: «Ignoranz. Auf Anfragen nicht zu reagieren und den Dialog zu verweigern ist etwas vom Schlimmsten, was man machen kann.»
Am Nachmittag tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppen zu ihren Erfahrungen aus und diskutierten konkrete Fallbeispiele, in die sie die Inputs vom ersten Halbtag einfliessen liessen.
Dabei bestätigte sich: Rechtsschutzversicherungsexpertinnen und -experten sind täglich mit einer Vielzahl an fachlichen und emotionalen Themen konfrontiert. Das macht ihre Arbeit spannend und abwechslungsreich, aber auch herausfordernd. Im Zentrum stehen dabei stets die Kunden. Wenn es gelingt, mittels empathischer und klarer Kommunikation mit dem Gegenüber rasch eine Beziehung aufzubauen, können auch schwierige Gespräche erfolgreich geführt werden.
Lebhafte Diskussionen: Schadenpraxis, schwierige Fälle und die Bedeutung von Kommunikation waren Teil der Workshops.
Ombudsstelle vermittelt in Konfliktsituationen
Um in schwierigen Situationen einen Konsens zu finden, braucht es Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten. Doch manchmal gibt es Fälle, in denen die Kommunikation scheitert oder sogar in einer Beschwerde endet. Solche Anliegen prüft die unabhängige «Ombudsstelle der Schweizer Privatversicherer und der Suva».
Die Ombudsstelle unterstützt Versicherte als neutrale Partnerin – und bietet unentgeltliche Hilfe in komplexen Fällen. Sie wurde 1972 vom Schweizerischen Versicherungsverband SVV ins Leben gerufen.