Lan­ge Ver­hand­lungs­ta­ge und das Hof­fen auf kon­kre­te Er­geb­nis­se

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Klimakonferenzen wie aktuell die COP26 in Glasgow ziehen grosses öffentliches Interesse auf sich. Alle Welt wartet auf konkrete Beschlüsse und Verhandlungserfolge. Wie aber läuft es hinter den Kulissen der Klimakonferenz ab?

Als Klimatologe und Vertreter der Schweizer Wirtschaft nehme ich in diesem Jahr schon zum vierten Mal als Teil der Schweizer Delegation an einer Klimakonferenz teil. Die diesjährige Veranstaltung in Glasgow ist einerseits geprägt vom omnipräsenten öffentlichen Klimadiskurs, andererseits von der Corona-Pandemie, was sich schon bei der Anreise zeigte.

Ich war in den vergangenen Jahren oft in Schottland, und bisher war dies immer einfach. Corona macht nun alles komplizierter: So musste ich – trotz zweifacher Impfung – unmittelbar vor der Reise und ein zweites Mal einen Tag nach der Ankunft einen PCR-Test über mich ergehen lassen. Kommt hinzu, dass wir Teilnehmer jeden Morgen einen Schnelltest machen müssen, bevor wir das Verhandlungsgelände betreten dürfen. Das heisst, allein in der ersten Verhandlungswoche wurde ich achtmal getestet.

Die Schweizer Verhandlungsdelegation besteht aus zwölf Mitarbeitenden der Bundesverwaltung und drei Vertretern der Zivilgesellschaft. Mit der Hälfte der Schweizer Delegation bin ich in einem Zweisternhotel untergebracht, das zu Fuss etwa dreissig Minuten vom Konferenzgelände entfernt ist. Die Verhältnismässigkeiten bleiben also gewahrt! Im Gegensatz zu Delegationen, die wegen Zimmerknappheit in Edinburgh übernachten müssen, bin ich so auch nicht auf Bus oder Taxi angewiesen.

Gunthard Niederbäumer

Gunthard Niederbäumer: Als Vertreter der Wirtschaft gehört er zur Schweizer Verhandlungsdelegation für die 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 26) in Glasgow.

Der Tag beginnt jeweils um Punkt acht Uhr mit einem Delegationsmeeting. Unser Delegationsleiter, Botschafter Franz Perrez, informiert über die wichtigsten Themen – und die Mitglieder berichten vom Stand der Verhandlungen, die sie betreuen. Dies ist oft der einzige Moment, an dem die ganze Delegation zusammenkommt, und auch der einzige Fixpunkt in der vollbepackten Tagesagenda.

Im Anschluss daran werden Verhandlungstexte studiert, mit uns nahestehenden Ländern die Verhandlungstaktik besprochen – und letztlich die Verhandlungen geführt. An den Verhandlungen zu den wichtigsten Themen beteiligen sich oft bis zu hundert Länder. Einige haben sich zu Interessengruppen zusammengeschlossen, so zum Beispiel die Vertreter der kleinen Inselstaaten oder die Vertreter der afrikanischen Staaten. Die grösste Gruppe ist die G-77, die die Interessen von 134 Entwicklungsländern vertritt. Die Schweiz hat sich in einer Gruppe mit Mexiko, Korea, Monaco, Georgien und Liechtenstein zusammengeschlossen. Das hat sich irgendwie so ergeben.

Neben den Verhandlungen präsentieren verschiedene Länder und Organisationen ihre Projekte zur Treibhausgasreduktion oder zu weiteren Wissenschaftsthemen. Die Schweiz ist in Glasgow mit einem Pavillon zur Kryosphäre vertreten. Mit verschiedenen Postern und Vorträgen wird die Situation der Gletscher und von polaren Eisschildern beleuchtet und deren Bedeutung für das globale Klima erläutert. Der Pavillon wurde von Bundespräsident Guy Parmelin eröffnet.

«Für mich war es ein spezieller Moment, Personen wie Präsident Biden, Prinz Charles und Jeff Bezos in einer Veranstaltung live mitzuerleben.»

Im Plenarsaal finden die öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen statt, die zu einem grossen Teil in den Medien aufgenommen werden. So war ich am vergangenen Dienstag in der Session, an der über die Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft für das Klima gesprochen wurde. Dieser Bereich ist darum so wichtig, weil er als bedeutende Kohlenstoffsenke dienen kann. So bekundeten Joe Biden und Boris Johnson ihre Unterstützung für ein Projekt, das vorsieht, den Wald im Kongodelta grossflächig wiederaufzuforsten. Auch Prinz Charles hatte in dieser Session zur Landwirtschaftsthematik einen Auftritt und den dringenden Appell geäussert, den Worten endlich Taten folgen zu lassen. Für mich war es ein spezieller Moment, Personen wie Präsident Biden, Prinz Charles und Jeff Bezos in einer Veranstaltung live mitzuerleben.

Im Allgemeinen ist unser Alltag jedoch wenig glamourös, was ich schon am Beispiel der Hotelunterkunft ausgeführt habe. Oft sitzen wir über Stunden in einem vollen Saal und diskutieren darüber, ob etwas nur zur Kenntnis genommen wird – oder ob es sogar begrüsst wird. Dies braucht zum einen viel Geduld, aber auch viel Gespür für die Feinheiten der englischen Sprache. Die wichtigen Entscheide, sofern es solche geben wird, werden normalerweise im Schlussspurt, sprich am Ende dieser Woche, gefällt. Hoffen wir, dass wir etwas Konkretes mit nach Hause nehmen können. Es ist an der Zeit.

Dieser Kommentar ist am 11.11.2021 als «Brief aus Glasgow» in der Weltwoche erschienen.