Endlich Bewegung!
Die Reform der Vorsorge für Jung und Alt ist dringlich. Das Parlament nimmt einen neuen Anlauf. Folgt jetzt die Zeit der Lösungen?
Die finanziellen Auswirkungen der Coronakrise erhöhen den Druck auf die Vorsorge für Jung und Alt nochmals deutlich. Auch Demografie und Nullzinsen fordern alle Beteiligten unverändert stark heraus. Es ist klar: Warten und Hoffen sind keine Optionen. Die Politik muss sich bewegen. Im Dreieck von Finanzierung, Leistung und Referenzalter sind Kompromisse und tragfähige Lösungen gefragt, keine Grabenkämpfe und Scherbenhaufen.
Jetzt nimmt das Parlament einen neuen Anlauf. Die Kommissionsarbeiten an der Vorlage des Bundesrats zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) wurden mittlerweile aufgenommen. Damit wird das von vielen erhoffte Lebenszeichen endlich gesetzt. Eine parteiübergreifende Parlamentariergruppe will zudem die einseitig auf Mehreinnahmen ausgerichtete Botschaft des Bundesrats so ins Gleichgewicht bringen, dass sie besser ins beschriebene, anspruchsvolle Umfeld passt. Diesem Vorhaben kann man nur Erfolg wünschen, auch wenn die Reformanstrengungen auf die Dauer weiterreichen müssen. Langfristig stabil statt kurzfristig stabilisiert, das wäre die AHV, die Jung und Alt brauchen.
Das schwindende Vertrauen in die Rentenversprechen der Zukunft führt dazu, dass die freiwillige, private Vorsorge (3. Säule) rasch an Bedeutung gewinnt. Das könnte uns Privatversicherer an sich freuen. Wir sind jedoch auch an der Durchführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge – die Botschaft zur BVG-Reform wird im Spätherbst erwartet – in hohem Masse beteiligt. Die damit verbundene volkswirtschaftliche Verantwortung wollen wir weiterhin wahrnehmen und aus Überzeugung leben. Ein langfristig stabiles Drei-Säulen-System, in das die Menschen Vertrauen haben, liegt in unserem Interesse. Wir wollen seine Zukunft aktiv mitgestalten und unsere Expertise bei der Lösungssuche einbringen.
Leitender Gedanke ist für uns dabei die Nachhaltigkeit. Diese hört nicht beim Klima und der Umwelt auf. Sie bedeutet in der Altersvorsorge, dass wir den kommenden Generationen keine Schuldenberge hinterlassen, sondern langfristig finanzierbare Leistungsversprechen. Bevor wir neue Sozialversicherungszweige kreieren, sind wir gut beraten, uns auf die Reform der bestehenden zu konzentrieren, zuvorderst die AHV und das BVG. Die Senkung des Umwandlungssatzes, die Erhöhung des Referenzrentenalters für Frauen und die Enttabuisierung der Erhöhung des Rentenalters an sich sind zwingende Voraussetzungen für die Fairness gegenüber den kommenden Generationen. Um diese Forderungen mit Leben zu füllen, sind auch die Anreize für die Arbeit im Alter entsprechend neu zu setzen. Gefragt sind flexible Übergänge in den Ruhestand, Anpassungen bei den Freibeträgen in der AHV und Steuererleichterungen für die Altersarbeit.
Vom Reformeifer auszunehmen ist das Drei-Säulen-System der Vorsorge an sich. Es verteilt die Lasten und Risiken auf eine staatliche (AHV), eine berufliche (BVG) und eine private Säule (Selbstvorsorge). Staat, Arbeitgeber sowie Bürgerinnen und Bürger teilen sich partnerschaftlich in die Aufgaben. Obligatorium und Freiwilligkeit halten sich die Waage. Diese klare Aufgabenteilung und Ausgewogenheit sind ein Zeichen von Stärke, Resilienz – und ein besonderes Merkmal der Nachhaltigkeit, analog zur Biodiversität in der Natur. Die drei Säulen müssen weiterhin klar getrennt – und gesund sein.
Dieser Beitrag ist am 27. August 2020 bei «HZ Insurance» erschienen.