
Die Privatassekuranz ist eine der am strengsten regulierten Branchen. Michael Müller, Vizepräsident des Versicherungsverbandes SVV sowie CEO Schweiz der Baloise Group zeigt auf, wie Regulierung, Konsumentenschutz und Versicherungspraxis ineinander greifen. Eine Standortbestimmung aus Sicht der Versicherer.
Gleich zwei Versicherungsgesetze werden aktuell einer Revision unterzogen: das Versicherungsvertragsgesetz VVG und das Versicherungsaufsichtsgesetz VAG. Ja, die Privatassekuranz hat zwei eigene Gesetze. Das macht aus ihr eine der Branchen, die am strengsten reguliert ist. Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die Vertragsbeziehungen zwischen Versicherer und Kunden. Und zwar für alle Kunden – das heisst für Privatkunden und Unternehmenskunden. Das Versicherungsaufsichtsgesetz regelt dagegen die Aufsicht. Dies mit dem Ziel, die Kunden vor der Insolvenz eines Versicherers und vor Missbräuchen zu schützen. Diese zwei Gesetze werden durch weitere staatliche Schutznormen ergänzt: Die Aufsichtsverordnung regelt Detailfragen der Aufsicht und die FINMA beaufsichtigt die Versicherer und ist mit Verordnungen sowie Rundschreiben auch regulierend tätig.

Michael Müller ist Vizepräsident des Versicherungsverbandes SVV sowie CEO Schweiz der Baloise Group.
Die Gesetze und Schutznormen bilden ein dichtes Regelwerk zum Schutz der Kunden. Diese sind speziell geschützt, weil Versicherungen Produkte von komplexer rechtlicher Natur sind. Für uns Versicherer hat die Vertrauensbeziehung zu unseren Kundinnen und Kunden höchste Priorität. Darum haben wir auch selbst die Initiative ergriffen und die staatlichen Schutznormen mit freiwilligen Massnahmen ergänzt:
Wir nehmen die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden ernst, denn sie stehen im Zentrum unserer Tätigkeit. Bei allfälligen Gesetzeslücken bietet die Branche Hand. Sinnvolle Konsumentenanliegen trägt sie mit. Last but not least: Zufriedene Kunden sind auch ein gewichtiger Wettbewerbsvorteil. Wer im Markt Erfolg haben will, kann es sich nicht leisten, den Schutz der Konsumenten zu vernachlässigen. Wir wehren uns aber auch gegen Regulierung, die hohe Kosten nach sich zieht, ohne den Kunden einen Mehrwert zu bieten. Denn der beste Konsumentenschutz bringt nichts mehr, wenn er die Produkte unverhältnismässig verteuert. Hier einige konkrete Beispiele, wie wir Konsumentenschutzanliegen unterstützen – und wann nicht.
Ende Februar ist die Vernehmlassungsfrist für die Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes VAG zu Ende gegangen. In der Stellungnahme des SVV unterstützen wir einige Konsumentenanliegen. Zum Beispiel:
Das Versicherungsvertragsgesetz VVG wird derzeit im Parlament behandelt. Auch hier unterstützen die Versicherer einige Punkte, die die Rechte der Konsumenten ausbauen. Hierzu drei Beispiele:
Konsumentenschutzmassnahmen bleiben allerdings nicht ohne Kostenfolge. Wir analysieren sie deshalb und wägen sie sorgfältig ab: Bringen sie den Kunden einen Mehrwert? Stehen die Kosten im Verhältnis zum Nutzen für die Kunden? Und sind sie im Einklang mit rechtlichen, ökonomischen und versicherungstechnischen Prinzipien? Kurz: Sind sie praxistauglich? Dazu Beispiele, die diese Kriterien aus unserer Sicht nicht genügend erfüllen:
So geht es zum Beispiel um die sogenannte Teilbarkeit der Prämie, die im VVG geregelt ist. Dabei handelt es sich um die Rückerstattung von schon bezahlten Prämien, wenn der Versicherungsvertrag vorzeitig aufgelöst wird. Es gibt zwei Ausnahmefälle, bei denen der Versicherer die Restprämie einbehalten darf, und die nun zur Diskussion stehen. Erste Ausnahme: Im Fall eines Totalschadens mit Vertragsauflösung erhält der Kunde den Gegenwert für seine Gesamtprämie. So erhält ein Versicherter zum Beispiel nach einem Autodiebstahl ein neues Fahrzeug. Müssten die Versicherer in diesem Fall zusätzlich die Prämie zurückerstatten, müssten sie dies in ihre Prämienkalkulation einberechnen. Zweite Ausnahme: Tritt ein Teilschaden im ersten Vertragsjahr ein, und der Kunde löst den Vertrag auf, darf der Versicherer die Restprämie ebenfalls einbehalten. Damit deckt der Versicherer – zumindest teilweise – die Kosten, die für ihn mit dem Vertragsabschluss entstanden sind, etwa die Kosten für die Risikoprüfung oder die Administrativkosten für die Erstellung der Police. Sollte dies nicht mehr möglich sein, müssten die Versicherer die Prämien anheben, um ihre Kosten in diesem Fall auch künftig amortisieren zu können.
Ein anderes Beispiel betrifft jene neue Bestimmung im VVG, die in den vergangenen Monaten hohe Wellen geworfen hat: Die Bestimmung, die besagt, dass der Kunde das Recht hat, zu kündigen, wenn sein Versicherer die Versicherungsbedingungen anpasst. Dazu halte ich als Erstes fest, dass Anpassungen der Vertragsbedingungen schon heute möglich und auch in anderen Branchen weit verbreitet sind. Eine Anpassungsmöglichkeit der Versicherungsbedingungen ist notwendig, weil gerade langfristige Verträge, wie sie in der Versicherungsbranche üblich sind, von rechtlichen Entwicklungen oder anderen Entwicklungen überholt werden können – zum Beispiel von neuen Risiken wie selbstfahrende Autos oder Cyberrisiken. Wird eine Anpassung der Vertragsbedingungen nötig und die Versicherer dürfen diese nicht mehr vornehmen, müssten sie sämtliche betroffene Verträge kündigen und gleichzeitig neue Verträge anbieten. Oder aber die Versicherer müssten bei der Prämienkalkulation von vornherein höhere Risikozuschläge einberechnen. Beides würde die Prämien in die Höhe treiben.
Die Vernehmlassungsvorlage des VVG sah jedoch vor, Anpassungen der Vertragsbedingungen zu verbieten. Wir haben uns in unserer Stellungnahme gegen dieses Verbot ausgesprochen. Keine andere Branche kennt ein solches Verbot. In der Botschaft hat der Bundesrat das Verbot gestrichen, dafür aber das Kündigungsrecht für die Kunden festgehalten. Das Geschäft liegt nun in den Händen der Politik. Für uns entscheidend ist, dass ein Verbot der Anpassung nicht im Gesetz verankert wird. Dies würde die Versicherbarkeit von gewissen Risiken erschweren und die Preise für den Schutz verteuern.
Aus der Fülle von Konsumentenschutzmassnahmen, die zur Diskussion stehen, habe ich einige wenige Beispiele ausgewählt, um die Position des Versicherungsverbandes SVV und damit der Privatversicherer darzulegen: Weil Konsumentenschutzmassnahmen nicht gratis sind, müssen wir sie abwägen. Denn: Überteuerte Produkte sind kaum im Interesse der Kunden. Die Bereitschaft, für noch mehr Konsumentenschutz auch noch mehr zu bezahlen, ist bei der Bevölkerung oft gering. Das bestätigt auch eine Befragung des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen.
Wie stehen Konsumentinnen und Konsumenten zum Konsumentenschutz? Wieviel sind sie bereit für mehr Schutz zu bezahlen? In der Studie des I.VW steht die Konsumentensicht im Fokus.

Der Schweizerische Versicherungsverband SVV unterstützt den Revisionsentwurf des Versicherungsaufsichtsgesetzes, sieht aber Korrekturbedarf bei der Regelung der Kapitalanforderungen.
