
Karim Abdelatif, Direktor Human Resources bei Vaudoise Versicherungen blickt auf ein Unternehmen, bei dem Frauen heute einen Drittel aller Managerinnen und Manager ausmachen. Er erläutert im Interview, warum bei Vaudoise vollkommene Lohngleichheit herrscht und wie man bereits in der Schule ansetzen kann, um die Berufswahl weniger geschlechterspezifisch zu gestalten.
Lohngleichheit und Chancengleichheit im Allgemeinen waren bei unserer HR-Politik schon immer zentral. 2018 wollten wir sicherstellen, dass unsere Praxis voll und ganz unserem Anspruch entspricht. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als erstes Versicherungsunternehmen in der Schweiz Equal-Salary-zertifiziert wurden. 2021 konnten wir mit dem vom Bund entwickelten Audit-Tool Logib bestätigen, dass bei uns eine vollkommene Lohngleichheit herrscht (Unterschied zwischen Frauen und Männern von 0,1 %).

Beim Einstellungsverfahren machen wir keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Wir achten während des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus darauf, dass es weder Verzerrungen bei Lohnerhöhungen oder Zielbewertungen noch Unterschiede bei den Beförderungen gibt.
Damit alle Mitarbeitenden, egal ob Frau oder Mann, Berufs- und Privatleben unter einen Hut bringen können, ist bei allen unseren Stellen ein 80%-Pensum möglich. Eine Person, die 100 % arbeitet, kann ihr Arbeitspensum daher ohne Weiteres auf 80 % reduzieren, wenn sie dies wünscht. Mit unserer Homeoffice-Politik und der Vertrauensarbeitszeit, die für viele Mitarbeitenden gilt, bieten wir ein sehr flexibles Arbeitsumfeld.
Vereinbarkeit heisst, berufliche und private Verpflichtungen miteinander vereinbaren zu können; mit anderen Worten, das eine geht nicht zulasten des anderen.
Die Versicherungswirtschaft setzt sich für Themen wie «Lohngleichheit» und «Vereinbarkeit von Familie und Beruf» ein und bietet attraktive Arbeitsmodelle an. Eine aktuelle Erhebung der Universität St. Gallen zeigt, dass die durchschnittliche unerklärte Lohndifferenz in der Versicherungswirtschaft bei 2,95 Prozent und damit deutlich unter der vom Bund gewährten Toleranzschwelle von 5 Prozent liegt. Dem Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» wird somit Rechnung getragen.
Ich sehe insbesondere drei sehr unterschiedliche Herausforderungen:
Als Erstes gilt es, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Bei der Vaudoise machen Frauen heute einen Drittel aller Managerinnen und Manager aus. Diese Zahl hat sich seit dem Jahr 2000 vervierfacht. Diese weiblichen Führungskräfte zeigen den Weg auf, und ihre führende Rolle begünstigt zweifellos eine positive Entwicklung.
Zweitens geht es darum, bewährte Praktiken zu harmonisieren und möglicherweise einige davon nach Möglichkeit auch gesetzlich zu verankern, wie es beispielsweise mit dem Vaterschaftsurlaub der Fall ist. Möglicherweise führen weitere Schritte in diese Richtung zu einer stärkeren Durchmischung in den verschiedenen Berufen und den jeweiligen hierarchischen Ebenen des Unternehmens.
Nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass auch der Schule eine grundlegende Bedeutung zukommt. Es ist wahrscheinlich notwendig, bei Mädchen und Jungs das Interesse für bestimmte Bereiche stärker zu fördern, damit die Berufswahl in Zukunft weniger geschlechtsspezifisch ist.
Stephan Walliser, Leiter Human Resources Konzernbereich Schweiz bei Baloise erläutert im Interview, wie Lohngleichheit sichergestellt wird und vor welchen Herausforderungen Arbeitgeber stehen.

Bettina Kurth, Leiterin Human Resources Schweiz bei Swiss Life, erläutert, weshalb Lohngleichheit bereits Realität ist und warum die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Herausforderung bleibt.

Barbara Zimmermann-Gerster
In der Absicht löblich – im Ergebnis bedenklich: Warum Lohngleichheitsanalysen zu Fehlschlüssen führen
