
Die Schweizer Versicherungsbranche bleibt ein stabiler Pfeiler der Wirtschaft, trotz Herausforderungen, schreibt SVV-Chefökonom Jan Schüpbach.

Schwächelt der Schweizer Finanzplatz? Auf diesen Gedanken könnte man kommen, wenn man die aktuelle BAK-Studie «Volkswirtschaftliche Bedeutung des Schweizer Finanzsektors» mit der letztjährigen Ausgabe vergleicht. Denn die jüngste Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch das Bundesamt für Statistik hat die Bruttowertschöpfung des Finanzsektors etwas tiefer ausfallen lassen. Diese Anpassung ist vor allem ein methodischer Fortschritt: Die statistische Präzision steigt, die Zahlenwelt wird differenzierter. Und doch bleibt das Bild der Realität im Kern unverändert. Die Versicherungsbranche steht seit Jahrzehnten für Stabilität und Verlässlichkeit, unabhängig davon, wie die Messlatte gesetzt wird.
Mit einer direkten Bruttowertschöpfung von 31,4 Milliarden Franken und 85’300 Vollzeitstellen leisten die Versicherungsunternehmen einen substanziellen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Sie gehören zu den produktivsten Branchen der Schweiz und sind mit ihrer Kapitalstärke und internationalen Ausrichtung ein verlässlicher Partner für Unternehmen und Haushalte.
Diese Grössen sind mehr als Statistik. Sie beschreiben die ökonomische Pufferwirkung, die in Phasen erhöhter Unsicherheit besonders wertvoll ist. Denn Stabilität ist kein Selbstzweck: Sie erhält Zahlungsfähigkeit im Schadenfall, sichert Investitionen in der Realwirtschaft und glättet Konjunkturschwankungen. In einem Jahr mit überdurchschnittlicher Schadenlast zeigt die Branche Belastbarkeit, ohne ihre Funktionsfähigkeit einzubüssen. Das ist ein Signal, das weit über die Branche hinaus Vertrauen stiftet.
Robust dank Risikoteilung, Kapitalbasis und Planbarkeit
Die Prognosen der BAK-Studie weisen für die Versicherungen ein solides Wachstum der realen Bruttowertschöpfung aus: plus 1,8 Prozent für 2025 und plus 2,1 Prozent für 2026. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, da die Branche gleichzeitig mit steigenden Risiken konfrontiert ist, etwa durch Naturkatastrophen und Cybervorfälle. Die Robustheit der Versicherer basiert auf drei Säulen: Erstens auf einer breiten Risikodiversifizierung über Sparten und Regionen hinweg, wobei die global ausgerichtete Rückversicherung eine besondere Rolle als Stabilisator einnimmt. Zweitens auf einer hohen Kapitalintensität und Produktivität – mit rund 489'900 Franken nominaler Wertschöpfung pro Vollzeitstelle sind die Versicherungen die produktivste Teilbranche im Finanzsektor. Drittens auf einer Regulierung, die Solvenz und Langfristorientierung konsequent absichert (Schweizer Solvenztest SST). Diese Kombination ermöglicht es, Leistungszusagen verlässlich zu bedienen und gleichzeitig die Kapitalanlage planbar zu steuern. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet das: Die stabile Prämienbasis sorgt für kontinuierliche Kapitalströme, die auch in Stressphasen Schadenleistungen und langfristige Investitionen ermöglichen – von Hypotheken über Unternehmensbeteiligungen bis zu Infrastruktur und Immobilien. Stabilität materialisiert sich so in liquiden Mitteln für Haushalte und Unternehmen sowie in langfristigen Investitionsströmen, die gerade in einem unsicheren Umfeld antizyklisch wirken.
Sturmfest und erdverwachsen in einer Welt voller Erschütterungen
Die Versicherungsbranche zeigt sich im aktuellen Umfeld tatsächlich „sturmfest und erdverwachsen“. Sie trotzt den Herausforderungen eines volatilen Schadenjahres und bleibt zugleich fest im Schweizer Wirtschaftsgefüge verankert. Die Nachfrage nach IT-, Beratungs- und Serviceleistungen löst in anderen Branchen zusätzliche 12,0 Milliarden Franken an Bruttowertschöpfung aus; 86’600 Arbeitsplätze ausserhalb des Finanzsektors hängen direkt an den Aktivitäten der Versicherungsunternehmen. Damit stabilisiert die Branche nicht nur ihre direkten Kundenbeziehungen, sondern auch Handel, Gewerbe und wissensintensive Dienste in der Breite der Volkswirtschaft. Zusätzlich stärkt sie die Exportbasis der Schweiz: Versicherungsdienstleistungen im Umfang von 9,5 Milliarden Franken – getragen insbesondere von der globalen Rückversicherung – diversifizieren die Aussenwirtschaftseinnahmen jenseits der Industrie. Diese internationale Ausrichtung ist ein Resilienzfaktor, weil sie Schocks in einzelnen Märkten dämpft und Erträge aus unterschiedlichen Konjunkturzyklen zufliessen lässt. Räumlich betrachtet bilden Versicherungscluster in Luzern, Basel-Stadt, Waadt und Bern beständige Anker, während Zürich als Hub für Erst- und Rückversicherung und grenzüberschreitende Vermögensverwaltung die nationale Schaltzentrale bleibt.
Positive Prognosen für die Zukunft
Die Statistikrevision ist ein methodischer Fortschritt, der die Messgenauigkeit erhöht, aber die ökonomische Funktion der Versicherungsbranche nicht verändert. Entscheidend ist der Blick nach vorn. Die BAK-Prognose sieht die Versicherungsbranche mittelfristig weiter wachsen; strukturelle Treiber wie Demografie, Wohlstandszuwachs und die Absicherung neuer Risiken (Naturkatastrophen, Cyber) stützen die Nachfrage. Damit ergibt sich ein klarer Auftrag: Stabilität aktiv nutzen, um Transformation zu tragen. Als langfristige Anleger können Versicherungen die Dekarbonisierung, die Modernisierung und den Ausbau von Infrastruktur sowie die Anpassung an Klimarisiken mit planbaren Investitionshorizonten finanzieren – und damit die Resilienz der Schweizer Volkswirtschaft weiter erhöhen. Stabilität ist damit nicht das Ende der Geschichte, sondern ihre Voraussetzung: Sie schafft die Handlungsfreiheit, um Wandel zu ermöglichen, ohne die Verlässlichkeit preiszugeben.
Dieser Kommentar ist am 10. Dezember 2025 bei HZ Insurance erschienen.
Die von BAK Economics verfasste Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Schweizer Finanzsektors erscheint einmal jährlich. Sie entsteht im Auftrag des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV und der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Im Fokus stehen die wichtigsten Kennzahlen zur Finanzbranche wie die Wertschöpfung, die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen.
Hier finden Sie die Studien für die Jahre 2024, 2023, 2022 und 2021.
Die BAK-Studie zeigt, dass die Privatassekuranz auch 2024 zu den produktivsten und wirtschaftlich bedeutendsten Branchen der Schweiz zählte.

Die BAK-Studie zeigt, dass die Privatassekuranz auch 2023 zu den produktivsten und wirtschaftlich bedeutendsten Branchen der Schweiz zählte.

Die von BAK Economics erhobene Studie zur Volkswirtschaftlichen Bedeutung des Finanzsektors zeigt, dass die Versicherer auch 2022 zu den produktivsten Branchen der Schweizer Wirtschaft gehören.

Die von BAK Economics erhobene Bedeutungsstudie zeigt, dass der Finanzsektor auch 2021 zu den produktivsten Branchen der Schweizer Wirtschaft gehört.
