Blog: Was läuft an der Klimakonferenz in Madrid?
In diesem Jahr findet die UN Klimakonferenz COP 25 vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Als Vertreter der Wirtschaft ist Gunthard Niederbäumer Mitglied der Schweizer Delegation. Der Leiter des Bereichs Schaden- und Rückversicherung des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV berichtet an dieser Stelle regelmässig von seinen persönlichen Eindrücken aus Madrid und wie er die COP 25 erlebt.
Montag, 9. Dezember – Verstärkung aus Bern
Heute, zum Beginn der zweiten Woche, sind die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen (SIF) Daniela Stoffel und der Direktor des Bundesamts für Umwelt (Bafu) Marc Chardonnens eingetroffen. Sie verstärken die Delegation, indem sie an Ministertreffen und bilateralen Gesprächen versuchen, anderen Ländern die Sicht der Schweiz näher zu bringen.
Ich hatte die Gelegenheit, mich mit Daniela Stoffel in einem angeregten Gespräch über die Rolle der Versicherungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel auszutauschen. Marc Chardonnens durfte ich während einiger Stunden begleiten. Gemeinsam besuchten wir den Kryosphärenpavillon (Kryosphäre = die die Erde bedeckende Eismassen). Ursprünglich war für die COP in Chile ein grosser Auftritt der Schweiz gemeinsam mit Chile geplant, an dem die Gletscher im Zentrum stehen. Eine grosse Ausstellung mit einem eigenen Pavillon, begleitet von diversen Vorträgen und Ausstellungen in der Stadt, waren geplant. Durch die Verschiebung der COP nach Madrid musste das Projekt deutlich verkleinert werden. Trotzdem geniesst der Stand zur Kryosphäre auch hier in Madrid eine grosse Aufmerksamkeit, wie die Verantwortlichen erläuterten. Anschliessend stand ein Treffen mit Repräsentanten der EU auf dem Plan. Marc Chardonnens wurde herzlich empfangen und man tauschte sich über den aktuellen Stand der Verhandlungen aus.
Der Austausch mit den Verantwortlichen des SIF und Bafu sind für mich wertvoll, um die Arbeiten im SVV bezüglich der Nachhaltigkeit den zuständigen Behörden näher zu bringen.
Bafu-Direktor Marc Chardonnens trifft an der COP 25 den Generaldirektor für Klimaschutz der Europäischen Kommission, Mauro Petriccione, anlässlich der Verknüpfung der Emissionshandelssysteme der Schweiz und der EU.
Bild: Bafu
Freitag, 6. Dezember – Delegationsgrössen
Immer wieder werde ich gefragt, wie gross denn die Delegation der Schweiz ist und wie viele Delegierte insgesamt an der COP teilnehmen. Laut der von der UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) veröffentlichten vorläufigen Zahlen sind insgesamt 26’706 Teilnehmende für die COP 25 registriert. Das teilt sich auf in 13'643 Personen, welche die Länder (Parties) vertreten, 9'987 von Beobachterorganisationen – also Wissenschaftler, Mitglieder von Unternehmensgruppen und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen – und 3'076 Journalisten.
Das Land mit den meisten Delegierten ist mit Abstand Côte d'Ivoire mit 348. Die USA sind mit 78, die EU mit 125, die Schweiz mit 17 und Liechtenstein mit 4 Delegierten vertreten. Der Anteil der weiblichen Delegierten liegt insgesamt bei 40 % und ist damit höher als bei der Schweizer Delegation, die aus 5 Frauen und 12 Männern besteht. Die «weiblichste» Delegation ist die finnische Delegation mit 44 Frauen und 13 Männern.
Donnerstag, 5. Dezember – ein typischer Verhandlungstag
Der heute Tag begann mit dem Delegationsmeeting um 8.00 Uhr. Beim Delegationsmeeting trifft sich jeweils die ganze Delegation und bespricht mit dem Delegationsleiter, Botschafter Franz Perrez, die anstehenden Verhandlungen und allfälliges taktisches Vorgehen in den einzelnen Verhandlungssträngen. Aufträge werden verteilt und Terminkonflikte gelöst. Um 9.00 Uhr begleitete ich den Delegationsleiter an das EIG-Meeting, da dort das Thema Loss and Damage auf der Agenda stand. Die EIG (Environmental Integrity Group) ist eine der Gruppe von Ländern, die sich während den Verhandlungen zusammenschliessen, um ihre Interessen in gewissen Themen gemeinsam zu vertreten. Die EIG umfasst neben der Schweiz auch Mexiko, Südkorea, Georgien, Monaco und Liechtenstein.
Nach diesem Meeting hatte ich Zeit, den soeben publizierten Verhandlungstext zu studieren, um dann um 12.00 Uhr an der nächsten informellen Verhandlungsrunde über Loss and Damage teilzunehmen. Diese dauerte bis um 14.30 Uhr. Anschliessend ging ich zurück in das Delegationsbüro, um einige Pendenzen für den SVV zu erledigen. Von 17.00 bis 18.00 Uhr nahm ich mir Zeit für einen kurzen Spaziergang, um wenigsten einmal am Tag etwas frische Luft zu schnappen. Von 19.00 bis 22.00 Uhr fand dann eine weitere Session zu Loss and Damage statt. Nach einem kurzen Debriefing ging es dann zurück ins Hotel, wo ich kurz vor Mitternacht zu Bett ging.
Das Gelände der COP 25 in Madrid
Bild: Gunthard Niederbäumer
Mittwoch, 4. Dezember – Abkürzungen an der COP 25
Heute findet das «FWG-AC-LEG-NWP joint event on local and indigenous adaptation» statt. Als jemand, der sich nicht täglich mit den Abkürzungen der COP beschäftigt, ist mir nicht unmittelbar klar, wer an dieser Verhandlung teilnimmt. Eine Recherche auf der Homepage der UNFCCC ergibt folgendes Resultat:
Facilitative Working Group of the Local Communities and Indigenous Peoples Platform (FWG)
Das Gremium wurde mit dem Ziel eingerichtet, das LCIPP weiter zu operationalisieren und die Umsetzung seiner drei Funktionen in Bezug auf Wissen, Einsatzfähigkeit und Strategien und Maßnahmen zum Klimawandel zu erleichtern.
Local Communities and Indigenous Peoples Platform (LCIPP)
Die COP hat erkannt, dass Wissen, Technologien, Praktiken und Bemühungen lokaler Gemeinschaften und indigener Völker im Zusammenhang mit der Bewältigung des Klimawandels und der Reaktion darauf verstärkt werden müssen. In diesem Zusammenhang wurde das LCIPP eingerichtet, um den Erfahrungsaustausch und den Austausch von bewährten Verfahren zur Minderung und Anpassung in einer ganzheitlichen und integrierten Weise zu ermöglichen.
Adaptation Committee (AC)
Der Anpassungsausschuss wurde eingesetzt, um die Umsetzung von wirksamen Anpassungsmassnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels zu fördern.
Least Developed Countries Expert Group (LEG)
Die Expertengruppe für die am wenigsten entwickelten Länder ist derzeit damit beauftragt, den Least Developed Countries (LDCs) technische Leitlinien und Unterstützung für den Prozess der Ausarbeitung und Umsetzung nationaler Anpassungspläne (NAPs), die Vorbereitung und Durchführung der nationalen Anpassungsprogramme (NAPAs) und die Umsetzung des LDC-Arbeitsprogramms zu geben.
Nairobi work programme (NWP)
Das Arbeitsprogramm von Nairobi ist ein Mechanismus, um die Entwicklung, Verbreitung und Nutzung von Wissen zur Anpassung an den Klimawandel zu erleichtern. Dies insbesondere zugunsten der Entwicklungsländer.
Nun habe ich eine ungefähre Vorstellung, welche Gremien sich zu diesem Anlass treffen. Ich war übrigens nicht an diesem Treffen, sondern an der Verhandlung zum «SBI/SBSTA informal consultations on report of the Executive Committee of the Warsaw International Mechanism for Loss and Damage associated with Climate Change Impacts and the 2019 review of the Mechanism». Aber darüber werde ich ein anderes Mal berichten.
Zeitplan der ersten Woche: Jedes farbige Feld ist eine Veranstaltung oder eine Verhandlung.
Bild: Gunthard Niederbäumer
Dienstag, 3. Dezember – Side Events
Neben den eigentlichen Verhandlungen zu Klimaabkommen findet eine grosse Zahl an Side Events statt. Diverse Organisationen und Hochschulen präsentieren ihre Arbeit oder aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Klimawandel. Ich hatte die Gelegenheit, zwischen den Verhandlungen zwei solche Veranstaltungen zu besuchen.
Die Universität Zürich und die ZHAW luden ein zu einer Veranstaltung unter dem Titel «Generating trust in carbon markets: Insight from academic research». In drei Vorträgen wurde erläutert, wie der Emissionshandel funktioniert und welche Gefahren in einem Handelssystem lauern, in dem die Schlupflöcher nicht konsequent geschlossen werden. Axel Michaelowa, Head of Research International Climate Policy an der Uni Zürich, zeigte in seinem eindrücklichen Vortrag auf, welche Bedingungen eingehalten werden müssen, damit ein Emissionshandelssystem funktioniert. Als gutes Beispiel erwähnte er die Stiftung KliK aus der Schweiz, eine branchenweite Kompensationsgemeinschaft für fossile Treibstoffe, die im Jahr 2012 gegründet wurde. Diese Veranstaltung stiess auf sehr grosses Interesse. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt und viele Zuhörer mussten mit einem Stehplatz vorliebnehmen.
Die zweite Veranstaltung wurde durchgeführt vom IPCC, dem wissenschaftlichen Gremium, das für politische Entscheidungsträger den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenfasst. Diverse Autoren stellten den «Special Report on Climate Change and Land» vor. Der Einfluss der Forst- und Landwirtschaft auf den Klimawandel ist nicht zu vernachlässigen. Insbesondere die Abholzung von Wäldern verursacht einen hohen Anteil an zusätzlichem CO2 in der Atmosphäre. Die neuesten Forschungsergebnisse unterstreichen dies eindrücklich. Für mich als Klimatologe war diese Veranstaltung eine Reise in die Vergangenheit, als ich mich an der ETH mit Klimamodellen beschäftigte.
An der Klimakonferenz COP 25 gibt es diverse interessante und gut besuchte Side Events.
Bild: Gunthard Niederbäumer
Montag, 2. Dezember – offizieller Start der COP
In der Zwischenzeit sind alle Delegierten in Madrid angekommen und wir freuen uns auf den Start der COP 25. Die Konferenz startete bereits am Morgen um 8.00 Uhr mit der offiziellen Eröffnung. Im Laufe des Tages fanden die Opening Sessionen der verschiedenen Gremien statt. Das Delegationszimmer wurde bezogen und wird in den nächsten zwei Wochen der zentrale Treffpunkt der Delegation sein.
Die UN-Klimakonferenz fand 1995 zum ersten Mal statt und wird als «Conference of the Parties, COP» bezeichnet. Seit 2005 findet parallel dazu das Treffen der Mitglieder des Kyotoprotokolls «Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Protocol, CMP» statt. Im Jahr 2016 wurde die Konferenz ergänzt durch die Mitglieder des Übereinkommens von Paris «Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Paris Agreement, CMA». Technische Fragen werden zudem in Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) und im Subsidiary Body for Implementation (SBI) diskutiert. Manchmal ist es für mich recht anspruchsvoll zu wissen, in welchem Gremium welches Thema besprochen wird. Ich selber darf an den Verhandlungen der SBSTA zu Agendapunkt 4 (Loss and Damage) teilnehmen.
Am Abend fand das Delegationsessen statt. Bei einem guten spanischen Essen und Wein tauschten wir die Erwartungen an die Konferenz und erste Eindrücke aus. Ich führte viele spannende Gespräche, da in der Delegation Menschen zusammenkommen, die einen sehr unterschiedlichen Hintergrund mitbringen. Die Stimmung im Team ist sehr gut. Ich werde als Vertreter der Zivilgesellschaft sehr gut in die Delegation integriert und freue mich nun auf meine ersten Verhandlungen.
Eingang zum Delegationszimmer der Schweizer Delegation an der COP 25
Bild: Gunthard Niederbäumer
Sonntag, 1. Dezember – Ankunft
Am Samstag war es soweit und ich machte mich auf den Weg zur Klimakonferenz COP 25 in Madrid. Nachdem Chile vor gut einem Monat die Durchführung in Santiago de Chile absagen musste, war ich gespannt, was die Spanier in dieser kurzen Zeit organisieren konnten. Die Anreise und der Bezug des Hotels klappten bestens. Das Hotel liegt unmittelbar neben dem Konferenzgelände. Wieder einmal eine grossartige Organisation durch das Bafu.
Die Registrierung am Sonntagmorgen verlief ohne Wartezeit, es sind offenbar noch nicht viele Delegierte in Madrid. Der erste Eindruck im noch leeren Konferenzgelände ist überraschend positiv. Bedenkt man, dass die Spanier nur gut vier Wochen Zeit hatten, die ganze Konferenz zu organisieren, bin ich sehr beeindruckt, was schon alles steht und funktioniert. Das Delegationszimmer der Schweiz ist schon bestens eingerichtet mit Kaffeemaschine (sehr wichtig), Kopierer und Besprechungstisch.
Am Sonntag um 9.30 Uhr hatte ich bereits meinen ersten Workshop über Loss and Damage. Zusammen mit einem Kollegen verbrachte ich den ganzen Sonntag bis um 18.00 Uhr in diesem Workshop, der mit etwa 120 Teilnehmenden sehr gut besucht war. Nach fast zehn Stunden Diskussion auf Englisch war der Kopf voll und ich war froh, beim Nachtessen mit zwei Kollegen aus der Schweizer Delegation die ersten Eindrücke des Tages auf Schweizerdeutsch auszutauschen.
Letzte Aufbauarbeiten an der Klimakonferenz in Madrid
Bild: Gunthard Niederbäumer
Gunthard Niederbäumer, Leiter Bereich Schaden- und Rückversicherung des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV
Über Gunthard Niederbäumer
Der Klimawandel stellt die Schweizer Versicherer vor grosse Herausforderungen. Entsprechend interessiert nimmt Gunthard Niederbäumer an der Klimakonferenz in Madrid teil. Er leitet den Bereich Schaden- und Rückversicherung des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV. Bereits 2017 und 2018 war er als Vertreter der Schweizer Wirtschaft an der Klimakonferenz dabei. Als promovierter Klimatologe interessiert ihn der Klimawandel auch persönlich.
Ziele der Klimakonferenz
Ursprünglich war Santiago de Chile als Austragungsort der UN Klimakonferenz 2019 geplant. Innenpolitische Unruhen verhinderten eine Durchführung. Madrid übernahm kurzfristig die Aufgabe, die Konferenz COP 25 (United Nations Framework Convention on Climate Change, 25th Conference of the Parties) durchzuführen. Den Vorsitz der Konferenz behält Chile.
Die UN Klimakonferenz findet zum 25. Mal statt. Nachdem im Vorjahr eine Einigung über die Umsetzungsleitlinien des Pariser Abkommens erzielt werden konnte sollen dieses Jahr weitere Schritte unternommen werden, um das Paris Abkommens vollständig umzusetzen. Insbesondere der Teil zu den Marktmechanismen muss noch ausgehandelt werden.