
Private und öffentliche Unternehmen sind heute in allen Bereichen ihrer Geschäftstätigkeit auf IT-Systeme angewiesen und entsprechend anfällig auf Störungen verursacht durch Cyber-Risiken. Die Komplexität der Informationssicherheit ist im Fluss, und damit einhergehende Risiken werden oft unterschätzt.
Informationssicherheit umfasst unter anderem den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen und Daten (Confidentiality), den Schutz vor unbefugter Veränderung von Daten (Integrity) und die Gewährleistung der Verfügbarkeit von kritischen IT-Systemen, wie beispielsweise solche von Zahlungssystemen, Krankenhäusern oder von der Energieversorgung. Folgende Risikobereiche lassen sich identifizieren:
Gefahren aus dem Internet sind vielfältig und umfassen traditionelle Viren, Würmer, Trojanische Pferde und Spyware, welche zu unwiederbringlichem Verlust von Daten, zur Beeinträchtigung der Privatsphäre, zum Verlust von Geschäftsgeheimnissen oder Informationen zu Handelspartnern führen können. Zu den Gefahren gehören aber auch Aktivitäten wie Phishing von Daten, die beispielsweise zu Kreditkartenmissbrauch führen können, Spam-Mails, die häufig nur lästig sind und kostbare Arbeitszeit stehlen, sowie «Cryptolocker» – auch Verschlüsselungsviren, Erpressungstrojaner oder Ransomware genannt – welche die Dateien unlesbar machen und meist gegen Be-zahlung eines Lösegelds in Krypto-Währungen wie «Bitcoin», «Ethereum» etc. wieder entschlüsselt werden können. Details zu den einzelnen Gefahren sind in den folgenden Quellen aufgeführt:
Das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) bietet aktuelle Informationen zur Sicherheit von Computersystemen und des Internets sowie zum Schutz der schweizerischen kritischen Infrastrukturen.
Neben den ausführlichen Halbjahresberichten publiziert das NCSC Newsletters und Blogs zur aktuellen Lage der Cybersicherheit. In der Schweiz wurde ein starker Anstieg von Betrugs-, Phishing- oder Erpressungs-Attacken festgestellt (Halbjahresbericht 2/2021). Daneben sind die nachstehenden Ereignisse illustrativ:
Beispiele aus dem Bericht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) «Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2021»:
Meldungen über Diebstahl, Verfälschung oder Zerstörung persönlicher, elektronisch gespeicherter Daten, wie Kreditkarten-Informationen oder auch medizinische Daten (z. B. in Spitälern) durch Hacker haben in letzter Zeit zugenommen. So sind gemäss Recherchen des Beobachters im Jahr 2020 knapp 3'000 Unternehmen in der Schweiz Opfer von Cyberattacken gewesen . Neue Technologien, wie beispielsweise Quantum Computing, erlauben eine viel schnellere Entschlüsselung von Sicherheitscodes/Passwörtern und werden in den Händen von Hackern in Zukunft möglicherweise zu einer weiteren Erhöhung von Cyber-Attacken auf Schweizer Firmen führen .
Jedes Unternehmen und generell Organisationen mit einer grossen Menge gespeicherter persönlicher Daten (z. B. Mitarbeiter-, Kunden-, Patientendaten) sind hiervon betroffen. Diese Unternehmen sind verpflichtet, entsprechende Massnahmen zum Schutz der persönlichen Daten, der Datensicherheit und deren Wiederherstellung zu implementieren und zu unterhalten (Sorgfaltspflicht). Dies beinhaltet auch regelmässige Updates oder den Ersatz von Software, um allfällige Sicherheitslücken zu schliessen. Die «Wanna-Cry»-Attacke vom Mai 2017 hat deutlich aufgezeigt, dass es unabdingbar ist, die Software regelmässig zu überprüfen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Diese Attacke hat Dutzende von Spitälern in Grossbritannien lahmgelegt sowie bei der Deutschen Bahn zu Ausfällen und auch beim Automobilhersteller Renault zu Produktionsbeeinträchtigungen geführt. Beim englischen nationalen Gesundheitsdienst (NHS) laufen knapp 5 Prozent der Computer auf dem praktisch ungeschützten Betriebssystem Windows XP. «NotPetya», ein auf die Zerstörung von Daten ausgerichteter, sogenannter Wurm, der sich von selbst verbreitete, wurde 2017 eingesetzt, um primär die Ukraine zu schädigen. Kollateral wurden aber verschiedene, weltweit tätige Unternehmen massiv geschädigt, wie z. B. der Logistiker Maersk (USD 300 Mio. Schaden) oder das Pharmaunternehmen Merck (USD 1.4 Mia. Schaden). Die Cyber Insurance-Versicherer argumentieren in Deckungsprozessen, dass die Cyberattacke ein Instrument der Russischen Föderation und Teil der andauernden Feindseligkeiten gegen die Ukraine gewesen sei . In der Folge sei dieser Schaden unter Anwendung des Ausschlusses «… verursacht durch feindselige oder kriegerische Aktionen in Zeiten von Frieden oder Krieg» nicht versichert. Abzuwarten ist, wieweit diese Argumentation gerichtlichen Beurteilungen standhält. Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig eine präzise Formulierung von Ausschlüssen ist.
Zudem verschärfen sich die rechtlichen Anforderungen, wie z. B. im Fall eines Datenverlusts vorgegangen werden muss. In Amerika müssen alle betroffenen Personen über einen solchen Vorfall informiert werden, und in vielen Fällen muss ein «Credit Watch» offeriert werden, was den Missbrauch von Kreditkarten verhindern soll. Diese Massnahmen führen zu Folgekosten.
Unbestritten ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von Informationssystemen. In der Tagespresse werden regelmässig Berichte über Störungen und widerrechtliche Angriffe auf Informationssysteme aller Art publiziert. Neben den Angriffen auf persönliche und unternehmerische Daten stehen ganze Lieferketten im Fokus solcher Attacken oder sind im Sinne von Kollateralschäden davon betroffen.
Es besteht eine Tendenz in den USA bzw. in UK, dass als Folge des Verlustes von (vertraulichen) Daten vermehrt Schadenersatzklagen erhoben werden. Dieser Trend kann auch in Europa (bzw. in der Schweiz) beobachtet werden. Die Haftpflicht aus der absichtlichen rechtswidrigen Beeinträchtigung von kritischen Infrastrukturen, Computern, Netzwerken, Daten etc. ist sicher gegeben, auch wenn die Täter im Falle der Cyberkriminalität schwer zu ermitteln sein werden. Wenn der Versicherte durch sein Verhalten zum Schaden beigetragen hat, wie beispielsweise durch fahrlässigen Umgang mit Daten und/oder aufgrund mangelhafter Datensicherheit, kann auch er haftpflichtig werden.
Die Haftpflicht aus der Sorgfaltspflichtverletzung von Informationssystem-Betreibern und IT-Serviceprovidern (ISP) für Folgeschäden ist ebenfalls gut denkbar (z. B. Personenschäden in Spitälern, aber auch Sachschäden oder Umweltbeeinträchtigungen).
Betriebshaftpflichtversicherung
Personen- und Sachschäden als Folge der Störung von Informationssystemen sind versichert. Es handelt sich aufgrund von Industrie 4.0 und der verbreiteten Vernetzung von Maschinen um ein immer wahrscheinlicheres Szenario, auch wenn mittlerweile die Informationssicherheit einen hohen Stellenwert in der Firmenpolitik aller Art von Unternehmungen hat. Reine Vermögensschäden aus der Unterbrechung von kritischen Infrastruktur- und Informationssystemen (wie z. B. von Elektrizitätswerken) können teilweise versichert werden.
In denjenigen Fällen, in welchen Cyber-Risiken nicht explizit ausgeschlossen sind (z. B. AVB Betriebshaftpflichtversicherung oder ZAB Nutzungsausfall), können Ansprüche aus der gesetzlichen Haftpflicht für Personen-, Sach- oder reine Vermögensschäden mitversichert sein ('silent cyber' cover).
Etwas weniger ausgeprägt als bei den Sachversicherungen, aber dennoch nicht zu unterschätzen, ist das Problem der «beabsichtigten» Cyberdeckungen in der traditionellen Betriebshaftpflichtversicherung. Fehlerhafte Steuerungssoftware oder eine Cyberattacke auf die Steuerungssoftware können beispielsweise dazu führen, dass der Betrieb einer Maschine Personen oder Sachen schädigt. Diese Art von Schäden ist grundsätzlich in den Betriebshaftpflichtversicherungen gedeckt, möglicherweise aber aufgrund fehlender Schadenerfahrung ungenügend in die Prämien eingerechnet.
Anders sieht es aus bei möglichen Deckungserweiterungen – beabsichtigt oder nicht – in den Betriebshaftpflichtversicherungen, welche zu einer Doppeldeckung mit speziellen Cyberversicherungen führen können. Beispielsweise die Erweiterung des Sachschadenbegriffs auf Datenverluste ohne vorangehenden Sachschaden, die Deckung gewisser reiner Vermögensschäden als Folge eines Cyber-Zwischenfalls (wie Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder Medienhaftpflicht), Kosten für die Wiederherstellung der eigenen Daten, etc. Solche Deckungserweiterungen können problematisch sein und zu ungewollten Doppeldeckungen führen. Besonderes Augenmerk ist auf die Formulierung der Bedingungen zu legen, um allfällige Deckungsprozesse zu vermeiden.
Berufshaftpflichtversicherung (IT-Dienstleistungsunternehmen, Soft-/Hardware-Herstellung etc.)
Reine Vermögensschäden durch fehlerhaftes Erbringen von Dienstleistungen sind versicherbar. In der Regel sehen die Dienstleistungsverträge aber Haftungsbeschränkungen vor.
Vermehrt werden international, aber auch im schweizerischen Versicherungsmarkt, spezielle Cyber-Versicherungen angeboten. Diese Produkte decken in der Regel die Aufwendungen für die Wiederherstellung der eigenen Daten und Ertragsausfälle aus der Betriebsunterbrechung (First Party-Deckung) sowie Ansprüche Dritter aus der gesetzlichen Haftpflicht (Third Party-Deckung) für Schäden im Zusammenhang mit beispielsweise der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und dem Missbrauch von Kreditkarteninformationen.
D&O-Haftpflichtversicherung
Inadäquate Kontrolle und unzureichende Sicherheitsstandards können zu grossen finanziellen Schäden bis hin zum Konkurs des Unternehmens führen. Als Folge davon sind Klagen gegen die Verantwortlichen der Unternehmen denkbar. Die Versicherungspolicen sehen in der Regel keinen Ausschluss für Schäden im Zusammenhang mit mangelhafter Informationssicherheit vor.
Das Problem ist aktuell. Ansprüche aus all diesen vielfältigen Risiken sind jederzeit zu erwarten.
Neue Technologien und die Entwicklung der modernen Gesellschaft bieten neue Chancen, aber auch neue Gefahren. Solche neuartigen zukunftsbezogenen Risiken, die sich dynamisch entwickeln und eben nur bedingt erkennbar und bewertbar sind werden als «Emerging Risks» bezeichnet. Der Begriff «Emerging Risks» ist nicht einheitlich definiert. In der Versicherungsbranche werden damit üblicherweise Risiken bezeichnet, welche sich als mögliche zukünftigen Gefahr mit grossem Schadenpotenzial manifestieren.
Mit der Gründung des Vereins «Swiss Financial Sector Cyber Security Centre» (Swiss FS-CSC) wappnet sich der Schweizer Finanzplatz gegen die zunehmende Bedrohung durch Cybervorfälle.

Das Haftungsrisiko für Organe hat in den letzten Jahren zugenommen. Dies hat mit der gestiegenen Komplexität der Gesetzgebung zu tun, aber auch mit den neuartigen Risiken.
