
Naturkatastrophen können zu enormen Schäden führen. Sie lassen sich nur dann zu angemessenen Prämien versichern, wenn die Versicherten und die Versicherer das Risiko gemeinsam tragen. Eduard Held ist Geschäftsführer des Elementarschadenpools und Leiter Bereich Nichtleben und Rückversicherung. Im Interview erläutert er, was den Elementarschadenpool ausmacht – und warum Erdbeben bis heute nicht darin eingeschlossen sind.
Und ob! Auch wenn es über die Jahrzehnte immer wieder Anpassungen gab, hat sich der Elementarschadenpool seit seiner Einführung sehr bewährt. Wenn man die Diskussionen in anderen Ländern zu möglichen Poollösungen verfolgt, so können wir mit Stolz festhalten, dass die Schweiz schon sehr früh eine funktionierende und breit abgestützte Lösung implementiert hat.

Die Elementarschadenversicherung ist ein gutes Beispiel für eine brancheninterne Zusammenarbeit: Eduard Held ist der Geschäftsführer des Elementarschadenpools.
Die Elementarschadenversicherung basiert auf der doppelten Solidarität innerhalb der Bevölkerung und unter den Versicherungsunternehmen. Das Modell funktioniert, weil der Gesetzgeber und die Privatwirtschaft an einem Strick ziehen und ihren Part zu einer erfolgreichen Umsetzung beisteuern. Der Elementarschadenpool dient aber nicht allein dem Schadensausgleich zwischen den Gesellschaften – er ist auch verantwortlich für den gemeinsamen Einkauf von Rückversicherungen mit einem Deckungsumfang von gesamthaft 1,1 Milliarden Franken.
Nein, es braucht die Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft. Denn ohne ein gesetzliches Obligatorium wären die notwendige Solidarität und ein Schutz mit für alle tragbaren Prämien nicht möglich.
Aus Sicht der Versicherungswirtschaft wäre es wünschenswert, Erdbeben als weitere Gefahr in die Elementarschadenversicherung aufzunehmen.
Aus Sicht der Versicherungswirtschaft wäre es wünschenswert, Erdbeben als weitere Gefahr in die Elementarschadenversicherung aufzunehmen. Dies wurde seit der Entstehung des Pools auch immer wieder diskutiert, aber leider nie verwirklicht. Dieses Vorhaben ist wiederholt an der Politik gescheitert, was unbefriedigend ist.
Hauptgrund ist der ausgeprägte Katastrophencharakter der Erdbebengefahr. Solche Ereignisse passieren überaus selten, verfügen jedoch über ein sehr grosses Schadenpotenzial. Zudem hätte eine Erweiterung des Deckungsumfangs eine Prämienerhöhung zur Folge. Das sorgt naturgemäss für Widerstände und strapaziert den erforderlichen Solidaritätsgedanken.
Die wichtigste Bedingung ist das Vorhandensein des politischen Willens aller Beteiligten. Dieser muss auch die Bereitschaft umfassen, verfassungsrechtliche Hemmnisse zu überwinden. Eine Rollenteilung zwischen öffentlicher Hand, Privatversicherungen und kantonalen Gebäudeversicherern könnte einen für alle tragbaren Versicherungsschutz ermöglichen. Die heutige Elementarschadenversicherung zeigt beispielhaft, wie die Last seltener Ereignisse mit möglicherweise katastrophalen Auswirkungen geschultert werden kann. Immerhin: Es sind auch heute wieder neue Ansätze und Lösungsvorschläge auf dem Tisch …
Das kann tatsächlich noch dauern. Manchmal geht es aber auch schneller, als man denkt. Häufig sind es Ereignisse, die zur Folge haben, dass gehandelt wird. So führte zum Beispiel ein dramatischer Lawinenwinter zur Gründung der Elementarschadenversicherung in ihrer heutigen Form.
Die Notwendigkeit und der Nutzen dafür wurden wohl einfach nicht genügend wahrgenommen: Unsere Gesellschaft war in der jüngeren Vergangenheit nie einem Pandemieereignis ausgesetzt. Dies hat sich nun offensichtlich geändert. Im Jahr 2020 arbeitete die Versicherungsbranche zusammen mit der Verwaltung an Vorschlägen, wie eine flächendeckende Pandemielösung ausschauen könnte. Leider ist sie nicht zustande gekommen.
Unsere Branche setzt sich intensiv mit Toprisiken auseinander und ist dabei, konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass die Versicherungsbranche zu einer für alle tragbaren Lösung Unterstützung bieten kann – dies insbesondere mit ihrem Know-how zur Risikoeinschätzung, zum Schadenhandling, zum Aufzeigen der Kostenwahrheit sowie als Risikoträger. Gemeinsam ist auch die Notwendigkeit eines Versicherungsobligatoriums. Nur mit einem solchen ist eine Lösung auf dieser Basis vorstellbar.
Der grosse Unterschied ist die für die Versicherbarkeit notwendigerweise vorhandene Möglichkeit der Diversifikation. Bei einer Pandemie fehlt diese: Sie tritt praktisch zur gleichen Zeit und per Definition global auf. Dadurch wird eine echte Diversifizierung nahezu unmöglich.
Risiken wie die Strommangellage, eine Cyberattacke oder ein grosses Erdbeben haben eine kleine Eintretenswahrscheinlichkeit, aber ein enormes Schadenpotenzial. Die Versicherungsindustrie setzt sich seit einiger Zeit intensiv mit solchen sogenannten Toprisiken auseinander. Das Ziel ist es, Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Je nach Toprisiko könnten wir zum Schluss kommen, dass ein gewisses Toprisiko schlicht unversicherbar ist, oder dass sich eine gewisse Form von öffentlich-privater Partnerschaft anbietet, oder dass das Risiko vollständig privatwirtschaftlich versichert werden kann.
Prävention lohnt sich, weil solche Massnahmen ein äusserst attraktives Aufwand-Nutzen-Verhältnis umfassen können. Etwa im Bereich Hochwasserschutz.
Prävention lohnt sich, weil solche Massnahmen ein äusserst attraktives Aufwand-Nutzen-Verhältnis aufweisen können. Der «eingesparte» Schaden ist über die Zeit oft viel grösser als der für die Prävention erforderliche Aufwand. Diese Erkenntnis ist heute zum Glück weit verbreitet.
Ein aktuelles Beispiel hierfür findet sich im Kanton Uri. Nachdem zwei verheerende Unwetter in den Sommermonaten in den Jahren 1987 und 2005 jeweils weite Teile der Reussebene unter Wasser gesetzt hatten, wurden in der Region umfassende Hochwasserschutzmassnahmen implementiert. Im Oktober 2020 kam es in der gleichen Region zu Niederschlagsmengen, die mit jenen von 1987 vergleichbar waren. Statt die Ebene zu überfluten, konnte die Reuss kontrolliert über die Autobahn A2 gelenkt werden. Dank zahlreicher aufeinander abgestimmter Schutzmassnahmen konnten dadurch grössere Schäden verhindert werden.
Ein anderes Beispiel einer Hochwasserschutzmassnahme mit ausgezeichnetem Kosten-Nutzen-Verhältnis ist der Entlastungsstollen zwischen Langnau am Albis und Thalwil im Kanton Zürich. Der zwei Kilometer lange Tunnel wird Hochwasserspitzen von der Sihl in den Zürichsee abführen und so das untere Sihltal und grosse Teile von Zürich vor Hochwasser schützen. Die Kosten des Stollens betragen rund 180 Millionen Franken. Er hilft aber, zusammen mit anderen Massnahmen, das Schadenpotenzial eines Extremhochwassers von heute über CHF 6 Milliarden signifikant zu reduzieren.
Absolut! Jeder, der ein Einfamilienhaus besitzt, kann auf seinem Grundstück oder am Gebäude Vorkehrungen treffen, um zum Beispiel das Eindringen von Wasser zu verhindern. Die Rechnung ist dabei immer dieselbe: Man investiert heute etwas, um morgen zu profitieren. Präventionsmassnahmen verringern damit auch die Versicherungskosten. Und das kommt letztlich allen zugute.
Der SVV bietet dem Elementarschadenpool ein ideales Zuhause. Das Modell ist damit ein gutes Beispiel für eine brancheninterne Zusammenarbeit.
Der SVV bietet dem Elementarschadenpool ein ideales Zuhause. Das Modell ist damit ein gutes Beispiel für eine brancheninterne Zusammenarbeit. Der Elementarschadenpool basiert auf der Mitarbeit der gesamten Versicherungsbranche und kann nur dadurch eine attraktive und effiziente Lösung anbieten, von der alle profitieren. Die diversen Anliegen müssen bekannt sein und gebündelt werden. Der SVV bietet dazu per Definition die erforderliche Infrastruktur und geniesst die nötige Akzeptanz.
Ein Beispiel ist das eben besprochene Bedürfnis, im Rahmen einer Risikopartnerschaft effiziente Lösungen für den Umgang mit Toprisiken zu finden. Es braucht auch einen Ansprechpartner und eine Stimme der Industrie, um den Standort Schweiz für die Versicherungsindustrie attraktiv zu halten. Zudem braucht es den Verband, um den Wunsch und das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Finanzindustrie auf eine für die Versicherungswirtschaft sinnvolle Art umzusetzen. Verbände übernehmen somit nicht nur Vermittlungsaufgaben, sie tragen bei konkreten Sachaufgaben auch massgeblich zur Lösungsfindung bei.
Eduard Held ist seit dem 1. Januar 2021 Geschäftsführer des Elementarschadenpools. Im Schweizerischen Versicherungsverband SVV trägt er zudem seit dem 1. Oktober 2022 die Verantwortung für den Bereich Nichtleben und Rückversicherung. Der promovierte Mathematiker ETH verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der internationalen Rückversicherungsbranche.
Naturkatastrophen können zu enorm grossen Schäden führen. Sie lassen sich nur dann zu angemessenen Prämien versichern, wenn sich sowohl die Versicherten als auch die Versicherer solidarisch verhalten und das Risiko gemeinsam tragen. Das Konzept der Elementarschadenversicherung beruht daher auf einer doppelten Solidarität, bei der sowohl die Versicherer wie auch die Versicherten das Risiko von Naturgefahren gemeinsam tragen. Dabei werden insgesamt neun Elementargefahren gedeckt – darunter Überschwemmung, Sturm und Hagel.
Dank dem in seiner ursprünglichen Form bereits 1936 gegründeten Elementarschadenpool ist es möglich, Elementarschäden mit einer für alle Versicherungsnehmer tragbaren Einheitsprämie zu versichern und die Schäden unter den im Pool zusammengeschlossenen Mitgliedsgesellschaften auszugleichen. Zwischen 1970 und 2021 übernahmen die im Elementarschadenpool zusammengeschlossenen Privatversicherer Sachschäden in der Höhe von rund 7 Milliarden Franken.
Der Elementarschadenpool ist ein Zusammenschluss von privaten Versicherungsgesellschaften. Das Konzept beruht auf doppelter Solidarität.

Sie sind auf der ganzen Welt tätig – und in der breiten Öffentlichkeit trotzdem weitgehend unbekannt: Rückversicherungen. Die wichtigsten Fakten zum Thema.

Naturereignisse richten in der Schweiz oft Zerstörung an. Was hierzulande in Sachen Hochwasserschutz unternommen wird, durften Mitglieder des Elementarschadenpools kürzlich aus erster Hand erfahren.
