
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV bezieht Position und empfiehlt sechs KI-Prinzipien für die Assekuranz. Sandra Kurmann, Leiterin Ressort Rahmenbedingungen im SVV, ordnet die Branchenempfehlungen für die Nutzung von KI ein und erläutert, was die Konsumentinnen diesbezüglich in Zukunft von der Branche erwarten können.
Künstliche Intelligenz (KI) ist bereits Alltag für Konsumentinnen und Konsumenten, sei es als hilfsbereite Chatbots auf der Website der Versicherer oder im Hintergrund bei der Schadenabwicklung. Konsumentinnen wissen oft nicht so genau, wo sich überall KI versteckt und was für ein Gegenüber sie in Zukunft antreffen werden.

Es muss sichergestellt sein, dass der Einsatz von KI gegenüber der Kundin und dem Kunden deklariert wird: Sandra Kurmann, Leiterin Ressort Rahmenbedingungen SVV.
KI wird im Versicherungsbereich in verschiedener Form angewendet. Die Anwendungsbereiche lassen sich in vier Kategorien zusammenfassen: Erstens für eine Optimierung/Automatisierung repetitiver interner Prozesse, insbesondere in der Schadenabwicklung, zweitens im Verbesserten Risiko-Assessment, d.h. besserer Prognosemöglichkeiten, z. B. durch aktuarielle Modelle, drittens für eine Verbesserung des Kundenerlebnisses im Servicebereich, z. B. durch Chatbots wie ChatGPT und viertens für die Entwicklung neuer Produkte dank neuer Datenquellen und geeigneter Vertriebskanäle, z. B. eine Versicherung für Flugverspätungen.
Dabei gilt es zu beachten, dass die Stärken von KI derzeit vor allem in der Übernahme von stark repetitiven Tätigkeiten und in Bereichen liegen, in denen grosse Datenmengen analysiert werden müssen. Die eigentliche Entscheidung wird aber nach wie vor durch eine Person vorgenommen beziehungsweise validiert.
Der enge regulatorische Rahmen, in dem sich die Assekuranz bewegt, stellt den Schutz der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer ins Zentrum. Es muss sichergestellt sein, dass der Einsatz von KI gegenüber der Kundin und dem Kunden deklariert wird. Insbesondere in Bezug auf die Verwendung der Daten bestehen umfassende Regelungen, die Datenschutz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie die Vermeidung von Diskriminierung oder Manipulation gewährleisten. Das Datenschutzrecht setzt einen geeigneten Rahmen für den Umgang mit Daten und den Schutz der Privatsphäre.
Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette der Versicherung effizienter, präziser und besser zu machen. Damit ist deren Einsatz für den Geschäftserfolg bzw. zur Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich. Ohne die Nutzung einer solchen fortschrittlichen Technologie können die Versicherungen mittel- und langfristig nicht am Markt bestehen.
«Der Mensch wird als Entscheidungsträger in der Versicherungsindustrie auch weiterhin Vorrang haben.»
Aus Sicht der Kundinnen und Kunden schwingt manchmal die Sorge mit, man könnte aufgrund der grösseren zur Verfügung stehenden Datenmenge und der Nutzung von KI zu einem gläsernen Versicherungsnehmer werden. Hier ist ein Realitätscheck notwendig: Beim Umgang mit KI handelt es sich stets um ein Abwägen des technisch Möglichen, des regulatorisch Erlaubten und des durch die Gesellschaft Akzeptierten. Die Versicherer sind sich ihrer Rolle und Verantwortung gegenüber den Kundinnen und Kunden bewusst und treffen zahlreiche Massnahmen im Bereich der Corporate Governance, um den bestehenden engen regulatorischen Rahmen zu ergänzen und allfälligen ethischen Fragestellungen adäquat zu begegnen. Mit der Branchenempfehlung möchte die Privatassekuranz sowohl gegenüber Regulator und Aufsicht als auch gegenüber den Kundinnen und Kunden genau dies transparent nach aussen tragen. Das Geschäftsmodell der Versicherer ist die Übernahme von und der Umgang mit Risiken – und dieser sorgfältige Umgang mit Risiken zeigt sich auch bei der Nutzung neuer Technologien.
Die Aufgabe einer Versicherung ist die Übernahme von Risiken und damit die Stärkung der finanziellen Resilienz einer einzelnen Person sowie der gesamten Volkswirtschaft. Im Zentrum stehen dabei die Kundin und der Kunde und ihre Bedürfnisse. Auch wenn Mitarbeitende durch entsprechende KI-Werkzeuge unterstützt und entlastet werden können, wird der Mensch als Entscheidungsträger in der Versicherungsindustrie auch weiterhin Vorrang haben und damit unerlässlich sein. Dies gilt im besonderen Masse in der Schadenabwicklung. Sicher ist, dass Kundinnen und Kunden, die eine persönliche Beratung wünschen, bei Versicherern selbst auch weiterhin immer eine Ansprechperson finden werden, die sie persönlich und individuell berät.
Die Ethos-Studie 2022 zeigt sieben Grundsätze zur digitalen Verantwortung auf, darunter die Etablierung einer digitalen Governance, die Gewährleistung von Transparenz sowie die Einhaltung des Datenschutzes und ethischer Grundsätze. Der Branchenvergleich zeigt, dass die Versicherungsbranche, wie im Vorjahr, in diesen Grundsätzen am besten abschneidet. So treffen die Privatversicherer bereits heute zahlreiche Massnahmen zur Adressierung der genannten Punkte, insbesondere im Bereich der Corporate Governance. Auf diesen Punkt zahlt auch die Branchenempfehlung des SVV ein.
SVV-Empfehlung in Bezug auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI)
Stand: September 2023
Michèle Rodoni
Die Versicherungsbranche war für die Coronakrise digital gut aufgestellt. Sie konnte sogar ihre Mitarbeiterzahlen erhöhen und sich als Wachstumsbranche bestätigen.

Wie gut ist die KI wirklich – und welche Rolle spielt sie für die Versicherungsbranche? Sita Mazumder, Professorin für Informatik und Wirtschaft an der Hochschule Luzern, ordnet ein.

KI hat das Potenzial, die Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette der Versicherung effizienter, präziser und besser zu machen. Der SVV empfiehlt sechs KI-Prinzipien für die Assekuranz.
