Zusammenfassung
Die Frage nach der unfallbedingten Einschränkung in der Haushaltführung stellt Mediziner und Rechtsanwender immer wieder vor Probleme. Das Thema akzentuiert sich darin, dass sehr hohe Geldleistungen auch dann zur Diskussion stehen, wenn keine – oder im Vergleich zur Entschädigung viel geringere – Kosten für Ersatzkräfte entstehen. Dadurch können falsche Anreize gesetzt werden, mitunter kann ein sekundärer Krankheitsgewinn eine gewichtige Rolle spielen. Der Artikel soll die juristischen Hintergründe erläutern und Lösungsansätze für eine korrekte Bemessung der Einschränkung in der Haushaltführung, welche eine faire Entschädigung ermöglicht, aufzeigen.
Ganzer Artikel
1 Einleitung
Der Haushaltführungsschaden ist eines der am meisten diskutierten und umstrittenen Themen im Schadenersatzrecht. Dies hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Für die Haftpflichtansprüche stellende Person geht es um sehr viel Geld, das auch dann geschuldet ist, wenn der betroffenen Person keine konkreten Kosten entstehen, und das zudem nicht versteuert werden muss. Weiter tun sich die für die Bemessung der Einschränkung zuständigen Ärzte oft mit deren Beurteilung schwer und sind sich mitunter wenig bewusst, welche finanziellen Folgen ihre Aussagen zeitigen.
Der nachfolgende Aufsatz soll das Spannungsfeld zwischen Medizin und Jurisprudenz aufzeigen und insbesondere auf die Art der Bemessung der Einschränkung in der Haushaltführung eingehen (1).
2 Definition und Berechnung des Haushaltschadens
Ein Haushaltschaden liegt vor, wenn durch ein Haftpflichtereignis (beispielsweise durch einen Verkehrsunfall) eine den Haushalt führende Person derart verletzt wird, dass dadurch die Fähigkeit der privaten Haushaltführung eingeschränkt oder gar verunmöglicht wird. Unter Haushaltführung sind die Hausarbeit im engeren Sinn sowie die Kinderbetreuung zu verstehen.
Der Schaden aus eingeschränkter oder entfallener Fähigkeit zur Führung des Haushalts wird nach der Rechtsprechung nicht bloss ersetzt, wenn konkrete Kosten für Haushalthilfen erwachsen, die wegen des Ausfalls der Haushalt führenden Person beigezogen werden; auszugleichen ist vielmehr der wirtschaftliche Wertverlust, der durch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Haushalt entstanden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Wertverlust zur Anstellung einer Ersatzkraft, zu vermehrtem Aufwand der betroffenen Person, zu zusätzlicher Beanspruchung der Angehörigen oder zur Hinnahme von Qualitätsverlusten führt (Normativitätstheorie).
Dieser «normative Schaden» ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung am Aufwand zu messen, den eine entgeltlich eingesetzte Ersatzkraft verursachen würde (2). Es muss sich beim Haushaltschaden nicht wie beispielsweise beim Erwerbsschaden eine Vermögensverminderung im Sinne der Differenztheorie (Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte) (3) manifestieren. Ersatzfähig ist vielmehr der wirtschaftliche Wertverlust.
Zur Berechnung des Haushaltschadens sind drei Parameter zu bestimmen. Der massgebliche Aufwand, der Stundenansatz und die auf die Gesundheitsstörung zurückzuführende Einschränkung. Es wird in der Folge auf den massgeblichen Aufwand und die Einschränkung in der Haushaltführung eingegangen.
3 Der massgebliche Aufwand
Gemäss Art. 42 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) hat derjenige, der Schadenersatz beansprucht, den Schaden zu beweisen. Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und mit Blick auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen (Art. 42 Abs. 2 OR). Der Geschädigte hat alle Umstände, die für den Eintritt des Schadens sprechen und dessen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar, zu behaupten und zu beweisen. Da der Haushaltschaden berechnet werden kann und insofern bezifferbar ist, hat der Geschädigte seine Ansprüche so weit als möglich zu substanziieren.
Nach der Meinung des Bundesgerichts können die Richter bei der Bemes-sung der für Haushaltarbeiten erforderlichen Zeit entweder abstrakt vorgehen (ausschliesslich statistische Werte) oder sie können die konkrete Situation berücksichtigen (selbst wenn sie dazu statistische Angaben zur Hilfe nehmen). Als statistische Basis haben sich mittlerweile die Tabellen der Schweizeri-schen Arbeitskräfteerhebung (SAKE), einer Erhebung des Bundesamts für Statistik (BfS), durchgesetzt (4).
Die Erhebungen im Rahmen der SAKE sind ein taugliches Hilfsmittel zur Substanziierung des Haushaltschadens, gelten jedoch nicht absolut. Die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls sind zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Bundesgerichtes bedeute die Zulässigkeit der abstrakten Berechnungsmethode nicht, dass der Verweis auf statistische Werte ausreiche oder dass diese ohne Rücksicht auf die konkrete Situation Anwendung finden dürfe. Der Haushaltschaden sei soweit wie möglich konkret zu bemessen. Dabei sei darauf abzustellen, inwieweit die medizinisch festgestellte Invalidität sich auf die Haushaltführung auswirkt. Ersatz für Haushaltschaden könne so nur derjenige verlangen, der ohne Unfall überhaupt eine Haushalttätigkeit ausgeübt hätte (5).
Obschon die SAKE-Tabellen wohl die beste Grundlage für die Berechnung und Plausiblisierung des Haushaltaufwands darstellen, ist festzuhalten, dass die darin aufgeführten Werte verglichen mit anderen Erhebungen relativ hoch sind. Dies hängt insbesondere mit der Methodik der Erhebung zusammen. In Telefoninterviews wird danach gefragt, in welchem Umfang am Vortag Haushalt- und Familienarbeit geleistet wurde. Die Resultate werden nicht verifiziert. So ist es denkbar, dass eine Familienfrau eine Waschmaschine laufen hat, währenddem sie das Mittagessen zubereitet und gleichzeitig ihr Kind beaufsichtigt. Eine solche Nennung würde dreifach erfasst. Ausserdem werden auch Tätigkeiten mit Hobbycharakter erfragt, die haftpflichtrechtlich nicht entschädigungspflichtig sind (6).
Durch die Anwendung der SAKE-Tabellen lässt sich der wirtschaftliche Wert der Hausarbeit bestimmen. Je nach konkreter Situation (Haushalt-Typus, Geschlecht und Arbeitspensum des Anspruchstellers) ergibt sich die Validenleistung, welche beispielsweise bei einer 60%-teilerwerbstätigen Frau im Paarhaushalt mit einem Kind im Alter von 5 Jahren gemäss Tabelle 20.4.2.7 der SAKE bei knapp Fr. 80'000.- jährlich liegt (53.7 h/Wo x 52 Wo/J x 28 Fr./h = Fr. 78’187.-). Ein Betrag, der im Falle einer Invalidität durch die Anwendung von Barwerttafeln kapitalisiert wird. Dies macht augenscheinlich, dass erhebliche Ansprüche und deshalb auch sekundäre Krankheitsgewinne zur Diskussion stehen können, welche einer objektiven und fairen Abklärung und Beurteilung bedürfen. Nachdem sich die Parameter Validenleistung und Stun-denansatz auf eine in jüngster Zeit konstante Rechtsprechung stützen lassen, kommt die massgebliche Aufgabe der Festlegung der Entschädigung dem me-dizinischen Gutachter durch die Beurteilung der Einschränkung zu.
4 Die Einschränkung in der Haushaltführung
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Einschränkung in der Haushaltführung durch Mediziner festzulegen (7).
4.1 Gutachterliche Abklärungen
Im Zivil- wie im Sozialversicherungsrecht gilt der Grundsatz der freien Be-weiswürdigung: Der Richter soll sich unvoreingenommen und gewissenhaft seine Meinung bilden, ob eine Behauptung oder Annahme aufgrund der vorhandenen Akten als bewiesen gelten kann oder nicht. Dazu muss der medizinische Gutachter festhalten, welche Arbeitsleistung im Haushalt zumutbarerweise noch erbracht werden kann, in welchen Tätigkeitsfeldern Optimierungen durch den Einsatz von Hilfsmitteln möglich sind und welche Auswirkungen sich dabei in quantitativer (und allenfalls qualitativer) Hinsicht ergeben.
Die Begriffe Arbeitsunfähigkeit und Zumutbarkeit sind eng miteinander verknüpft: «Zumutbarkeit ist auch als Ausdruck einer zu erwartenden Willensanstrengung bzw. Willensanspannung zu verstehen, die nötig wäre, um innere Erschwernisse (Unpässlichkeiten, Schmerzen, psychische Symptome) zu überwinden, die einer geforderten Leistung im Weg stehen» (8).
Bei Arbeitsprofilen mit vorwiegend manueller Tätigkeit, wie beispielsweise bei der Beurteilung der Haushalttätigkeit, sollte deshalb ein Assessement auf Basis einer Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) Gegenstand jeder Begutachtung sein. Welche zusätzlichen Abklärungen sich bei welchen Beschwerdebildern aufdrängen, ist keine juristische, sondern vielmehr eine medizinische Fragestellung, die an dieser Stelle nicht besprochen werden soll.
«In einfachen Fällen kann man zwar anhand einer Diagnose und mittels medizinischer Befunde aufgrund allgemeiner Erfahrung medizinisch-theoretisch beurteilen, welche berufliche Aktivitäten nicht zumutbar sind; so sind zum Bei-spiel bei einer medizinisch begründeten erheblichen Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Schulter auf der dominanten Seite Malerarbeiten ebensowenig zumutbar, wie es vorwiegend im Stehen oder Gehen auszuübende Tätigkeiten bei einer erheblichen und schmerzhaften Kniearthrose sind. Oft lassen sich aber aus den strukturellen und funktionellen Diagnosen die arbeitsbezogenen Fähigkeiten und Defizite nicht zuverlässig ableiten. In solchen Fällen wäre eine ergonomische Abklärung, beispielsweise eine Evaluation der funktio-nellen Leistungsfähigkeit (EFL), zu empfehlen» (9).
«Bei klinischen Zeichen einer "nicht organisch" bedingten Funktionsstörung, Anzeichen von mangelnder Leistungsbereitschaft und Inkonsistenz der Befunde ist eine Beurteilung der zumutbaren Aktivitäten generell schwierig; und dies gilt natürlich auch für ein EFL-Assessment. Bei offensichtlich mangelnder Leistungsbereitschaft ist die Durchführung einer EFL nicht sinnvoll, und man wird in diesen Fällen die Abklärung letztlich vor allem auf medizinisch-theoretische Überlegungen abstützen müssen. Hingegen finden sich oft Mischbilder mit nur teilweiser Symptomausweitung und Inkonsistenz, häufig bei Angst vor Bewegung und Belastung infolge längerer Schonung; manchmal ist auch die Frage der Leistungsbereitschaft von bisherigen Untersuchern widersprüchlich beurteilt worden. In solchen Fällen kann eine EFL entweder dazu beitragen, Patienten im Rahmen der Tests schrittweise mit alltags- und arbeitsbezogenen Belastungen zu konfrontieren und die Perspektive einer arbeitsorientierten Rehabilitation und Wiedereingliederung zu öffnen (es kommt beispielsweise immer wieder vor, dass sich Patienten nach einer EFL dafür bedanken, dass sie nun erkannt haben, dass sie eigentlich belastbarer sind, als sie bisher gemeint hatten), oder die EFL kann anhand der zahlreichen Testbeobachtungen die Frage der Konsistenz und Leistungsbereitschaft eindeutiger klären und dokumentieren» (10).
Wie die obigen Ausführungen aus gutachterlicher Sicht zeigen, kann ein EFL-Assessment bei bestehender Leistungsbereitschaft und Ausschluss einer «nicht organisch» bedingten Funktionsstörung zuverlässige Aussagen zur zumutbaren Arbeitsfähigkeit in der Haushaltführung machen, resp. Inkonsistenzen und mangelnde Leistungsbereitschaft eindeutiger klären und dokumentieren. Lassen sich die Inkonsistenzen auf eine psychische Störung mit Krankheitswert zurückführen, ist eine psychiatrische Exploration notwendig. In diesem Falle wäre es unangebracht, von einer Symptomausweitung zu sprechen.
4.2 Bedeutung der EFL und ergotherapeutischen Abklärun-gen in der Rechtsprechung
In BGE 129 III 134 (4C.194/2002) hält das Bundesgericht fest, «dass die Bemessung des Haushaltschadens voraussetzt, dass das Sachgericht die Auswirkung der medizinischen Invalidität auf die Fähigkeit des Verletzten, Haushaltarbeiten zu verrichten, prüft. Es muss sich folglich auf zuverlässige und objektive Ausführungen stützen können, die sich auf diese Aufgaben beziehen und die genügend differenziert sind, um Schlussfolgerungen mit einer sicheren Beweiskraft daraus ziehen zu können (...).» Das Bundesgericht fährt in diesem Zusammenhang fort: «Nun verfügte das kantonale Gericht im vorliegenden Fall über einen Beleg, der all diese Voraussetzungen erfüllte. Es handelt sich um den vom Zentrum für funktionelle Ergotherapie (Centre d'Ergotherapie fonctionelle) im Anschluss an die von einer Angestellten des Zentrums in der klägerischen Wohnung gemachten Feststellungen erstellten Bericht. Die Hausarbeiten sind in diesem Bericht in sieben Positionen unterteilt, von denen jede einen bestimmten Prozentsatz der gesamten Haushaltarbeit darstellt (Organisation des Haushalts, Ernährung, Instandstellung der Wohnung, Einkäufe und verschiedene Besorgungen, Wäsche und Pflege der Kleider, Betreuung der Kinder, Diverses).»
Sehr ausführlich setzt sich das Bundesgericht in BGE 8C_547/2008 mit der EFL auseinander und hält fest, die EFL stelle ein grundsätzlich geeignetes Verfahren zur Bestimmung der Arbeitsfähigkeit dar. Insbesondere wird festgestellt, dass auch in Situationen, in welchen der Schmerz das Verhalten der versicherten Person massgeblich präge, eine objektive Evaluation des funktionellen Leistungsvermögens die Leistungen zu quantifizieren erlaube, welche die Klientin oder der Klient einverstanden ist zu erbringen, ihr/sein Verhalten den Schmerzen und den physischen Anstrengungen gegenüber zu prüfen und ihre/seine Kooperation sowie die Kohärenz der erbrachten Leistungen zu schätzen (E. 4.2.2.1). Damit hat die Meinung führender medizinischer Gutachter (11). Eingang in die bundesgerichtliche Rechtsprechung gefunden. Im Entscheid 8C_406/2008 stellte das Bundesgericht, ohne sich grundsätzlich mit der EFL zu beschäftigen, fest, dass die EFL zur Beurteilung der Frage der ver-bliebenen Leistungsfähigkeit eine rechtsgenügliche Entscheidgrundlage bilde (E. 3.2).
4.3 Haushalt-Assessment
Anlässlich von Haushalt-Assessments werden Untersuchungen in der Regel während mehreren Tagen durchgeführt, wobei am ersten Tag eine Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung durch Fachärzte und anschliessend physische Leistungstests durch Physiotherapeuten in einem standardisierten Verfahren (EFL) durchgeführt werden. Die Evaluation erfolgt im durch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (SAR) standardisierten Verfahren. Am zweiten Tag finden validierte, ergotherapeutische Tests statt, für welche teilweise eine Testanlage verwendet wird und mit welcher insbesondere auch Beschwerdezunahmen auf Grund der Testungen vom Vortag erfasst werden.
Optimierungen sind im Rahmen der Schadenminderungspflicht haftpflichtrechtlich bedeutsam (dazu nachfolgend), die Kosten allfälliger Hilfsmittel durch den Haftpflichtigen zu ersetzen. In seiner Beurteilung hat der Gutachter Hilfsmittel und Behandlungsmassnahmen zur Verminderung der Beeinträchtigung zu berücksichtigen und zu benennen. Damit stellt er sicher, dass auch in diesem Punkt Transparenz besteht.
Kognitive Einschränkungen wirken sich in der Haushaltführung, sofern sie nicht gravierender Natur sind, in der in quantitativer Hinsicht fast zu vernachlässigenden Haushaltführungsfunktion «Administration» aus. In der Regel wird bei Haushalt-Assessments auch diese Fähigkeit getestet. Besonderer Beachtung bedürfen vorab Anspruchsteller, die unter einer psychischen Störung mit Krankheitswert leiden. In diesen Fällen ist – wie bereits erwähnt – eine psychiatrische Exploration notwendig.
4.4 Schadenminderungspflicht
Es stellt sich die Frage, ob die Betroffenen beim Haushaltschaden der Schadenminderungspflicht unterliegen. Dem ist im Allgemeinen zuzustimmen, da es sich bei der Schadenminderungspflicht um eine allgemeine aus den Rechtsgrundsätzen von Art. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) und Art. 44 Abs. 1 OR fliessende Pflicht handelt. Zwar halten die Gerichte fest, dass den Betroffenen nicht zugemutet werden kann, auf Standards zu verzichten oder die Haushaltarbeiten durch andere Haushaltangehörige erledigen zu lassen. Es bestehe keine schadenmindernde Berücksichtigung vermehrter Mitarbeit des Partners. Der Aufwand für den Ersatz der Beeinträchtigung aus Haushaltführung wird unabhängig davon ersetzt, ob und in welchem Masse neben der geschädigten Person weitere Haushaltmitglieder von deren Haushaltarbeiten profitiert haben; es wird insofern der Grundsatz relativiert, dass Reflexschäden grundsätzlich nicht zu ersetzen sind (12). Dies folgt aus der abstrakten Berechnung des Haushaltschadens und der Entschädigung auch der durch den Entzug familienrechtlicher Beitragsleistungen reflexweise geschädigten Personen.
Hingegen ist eine auf schadensfremden Gründen beruhende Veränderung der Rollenverteilung unter Eheleuten durchaus beachtlich (13). Anders im Sozial-versicherungsrecht: Dort wird die Mithilfe von Familienangehörigen «im üblichen Umfang» vorausgesetzt (14).
Weiter ist den Betroffenen zumutbar, die Haushaltarbeiten unter mehreren Haushaltmitgliedern (Partner, Kinder, usw.) optimal umzuverteilen und umzuor-ganisieren, so dass derjenige Tätigkeiten übernimmt, zu denen er in der Lage ist und eine bestmögliche Entlastung der betroffenen Person erreicht wird (15). Die Forderung nach Umverteilung und Umorganisation wird in konstanter Rechtsprechung geschützt (16).
Im Rahmen der Schadenminderungspflicht geht es um die (haftpflichtrechtlich nicht entschädigungspflichtige) Optimierung, Kompensation und Umverteilung der anfallenden Arbeiten und nicht um die (haftpflichtrechtlich entschädigungspflichtige) Mehrarbeit von Haushaltangehörigen.
Bei der Festlegung der Einschränkung in der Haushaltführung ist demnach vom medizinischen Gutachter konkret festzuhalten, in welchen Tätigkeitsfeldern Optimierungen durch den Einsatz von Hilfsmitteln möglich sind und welche Auswirkungen sich in quantitativer Hinsicht ergeben. Der Rechtsanwender ist in einem zweiten Schritt gefordert, eine allfällige Umverteilung der Arbeiten unter den Haushaltangehörigen zu prüfen. Dazu ist er darauf angewiesen, dass sich der medizinische Gutachter konkret über die zumutbarerweise noch möglichen und nicht mehr möglichen Arbeitsvorrichtungen äussert.
5 Abschliessende Würdigung
Die Einschränkung im Haushalt ist durch Mediziner festzulegen. Primär geht es darum, die zumutbare Arbeitsfähigkeit möglichst objektiv zu erheben. Begrüssenswert sind deshalb medizinische Testverfahren, welche das höchste Mass an Transparenz und Objektivität aufweisen. Dazu eignen sich insbesondere die mittlerweile durch diverse Stellen angebotenen Haushalt-Assessments auf Basis einer EFL. Diese Haushalt-Assessments stehen im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (17).
Über den Einbezug weiterer Fachdisziplinen (insbesondere Psychiatrie) soll der begutachtende Mediziner entscheiden (und nicht der Rechtsanwender). Unter diesen Voraussetzungen wird das Ziel erreicht, den Geschädigten die Grund-lage für den Beweis ihrer Einschränkung in der Haushaltfähigkeit zu schaffen, damit sie eine faire Entschädigung erhalten.
Referenzen
1. Bei diesem Aufsatz handelt es sich um eine für den medizinischen Leser angepasste Version des in der Ausgabe 3/2010 der juristischen Zeitschrift Haftung und Versicherung (HAVE) abgedruckten Beitrages „Erhebung und Quantifizierung der Einschränkung im Haus-halt“ der beiden eingangs genannten Autoren.
2. Bundesgerichtsentscheid (BGE) 113 II 345 E. 2 S. 350 f.; BGE 108 II 434 E. 3d S. 439; Widmer/Geiser/Sousa-Poza, Gedanken und Fakten zum Haushaltschaden aus ökonomi-scher Sicht, ZBJV 136/2000 S. 4; Geisseler, a.a.O., S. 73; Roberto, a.a.O., S. 212.
3. BGE 116 II 444, E 3aa.
4. Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamtes für Statistik (BfS): Die SAKE-Tabellen sind abrufbar unter: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/20/04/blank/data.html.
5. BGE 4C.166/2006, E. 5 und 6.
6. Zu dieser Thematik sei auf Massimo Pergolis/Cornelia Dürr Brunner, „Ungereimtheiten beim Haushaltschaden“, HAVE 3/2005, S. 202 ff. verwiesen.
7. BGE 127 III 403, E. 4 b.aa: „Es ist darauf abzustellen, inwieweit die medizinisch fest-gestellte Invalidität sich auf die Haushaltsführung auswirkt (BGE 129 III 135 E. 4.2.1 S. 153); 4C.166/2006, E. 5.1.
8. M. Oliveri, H.G. Kopp, K. Stutz, A. Klipstein, J. Zollikofer: „Grundsätze der ärztlichen Beurteilung der Zumutbarkeit und Arbeitsfähigkeit“ mit Verweis auf U. Meyer-Blaser: „Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, nament-lich für den Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung“ in R. Schaffhauser/F. Schlauri: „Schmerz und Arbeitsunfähigkeit“.
9. -11. M. Oliveri, H.G. Kopp, K. Stutz, A. Klipstein, J. Zollikofer: „Grundsätze der ärztli-chen Beurteilung der Zumutbarkeit und Arbeitsfähigkeit“.
12. Dies lässt sich eherechtlich begründen, wenn die Haushalt führende Person damit ihren Beitrag an den ehelichen Unterhalt leistet (Art. 163 ZGB). Die gemäss Art. 163/164 ZGB von jedem Ehegatten zu erbringenden Beiträge an den Familienunterhalt sind als gleichwertig zu betrachten (BGE 114 II 26 E. 5b S. 29 f.; Hasenböhler, Basler Kommen-tar, N. 25 zu Art. 163 ZGB; Hausheer/ Reusser/Geiser, Berner Kommentar, N. 35 zu Art. 163 ZGB). „Erleidet der erwerbstätige Ehegatte infolge einer Körperschädigung eine Lohn-einbusse, so wird ihm diese haftpflichtrechtlich auch insoweit ersetzt, als er die Einkünfte zum Unterhalt der Familie zu verwenden verpflichtet ist oder darüber hinaus ohne Unfall tatsächlich verwenden würde. Da der Naturalbeitrag der Haushaltführung als dem durch Geldleistung erbrachten Beitrag gleichwertig gilt, kann es auch hier nicht darauf ankom-men, ob dieser zugunsten der Geschädigten selbst oder deren unterstützungsberechtigten Familienmitglieder erbracht wird. Das Prinzip, dass bei einer Körperschädigung, selbst wenn sie zum Tod führt, die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nach dem Gesetz ihre Unterstützung nicht verlieren sollen, ergibt sich im Übrigen gerade aus der gesetzlichen Regelung des Art. 45 Abs. 3 OR, wonach ausnahmsweise der Reflexschaden der Ver-sorgten selbst in diesem Fall vom Haftpflichtigen zu ersetzen ist.“
13. Art. 163 Abs. 2 und 3 ZGB und BGE 127 III 403, E. 4.b.bb.
14. BGE 133 V 511, E. 4.2: „Kann die versicherte Person wegen ihrer Behinderung ge-wisse Haushaltarbeiten nur noch mühsam und mit viel höherem Zeitaufwand erledigen, muss sie in erster Linie ihre Arbeit einteilen und in üblichem Umfang die Mithilfe von Familienangehörigen beanspruchen.“
15. Nicht publizierter französischsprachiger BGE 4C.195/2001 E. 5.e.ee.
16. „…kann man von Jugendlichen verlangen, dass sie sich an den Haushaltarbeiten betei-ligen…“ (BGE 131 III 360E 8.2.3), „Zudem sei es dem Beschwerdeführer und seiner Fami-lie zumutbar gewesen die Führung des Haushalts in bestimmten Bereichen neu zu organi-sieren und damit den Arbeitsausfall auszugleichen.“ (nicht publizierte Erwägung 8.2 in BGE 131 II 656, resp. BGE 1A.228/2004).
17. Zumal das Bundesgericht in BGE 129 III 134 die Expertise des Centre d'Ergotherapie fonctionelle der medizinisch-theoretischen Schätzung des Gutachters für die Einschränkung im Beruf als Elektromonteur, auf welche die Vorinstanz abstützte, vorzog.