Be­trun­ken im Es­cape Room: Prä­ven­ti­on mal an­ders

60 Minuten haben wir Zeit, um aus dem Raum zu entkommen, in dem wir soeben eingeschlossen wurden. Wir sitzen auf einem Ledersofa in einem abgedunkelten Zimmer, nur eine einsame Partylampe dreht sich leise vor sich hin und wirft immer wieder bunte Lichter an die Decke. Um uns herum liegen Cannabis-Utensilien und (leere) Schnapsflaschen – Zeugen der vergangenen Partynacht. Was genau passiert ist? Keine Erinnerung. Wir wissen nur, dass unser Flug in wenigen Stunden geht und dass wir wohl aus Jux unseren Autoschlüssel und uns selbst eingeschlossen haben – es eilt also und wir sind verkatert.

Jetzt gilt es, mit kniffligen Rätseln und versteckten Botschaften den Weg nach draussen zu finden. Das Spannende daran: Mit jedem gelösten Rätsel wird uns zusätzlich spielerisch eine Botschaft zum Thema Alkohol und Drogen am Steuer vermittelt. So erfahren wir, wie viel jeder und jede von uns in der letzten Nacht getrunken hat und was das für unsere Fahrtüchtigkeit bedeutet. Obwohl wir den Führerschein schon einige Jahre besitzen, gibt es auch bei uns immer wieder Aha-Momente.

«Mit dem Escape Room können wir jungen Erwachsenen unsere Botschaften auf positive und spannende Art vermitteln»

Und genau darum geht es: «Mit dem Escape Room können wir jungen Erwachsenen unsere Präventionsbotschaften auf positive und spannende Weise vermitteln» erklärt uns Chantal Bourloud, Geschäftsführerin bei ASN, bei der Einführung vor unserem Spiel. Denn gerade bei dieser Gruppe ist Prävention besonders wichtig: Die Unfallstatistik zeigt, dass 18- bis 24-Jährige besonders häufig durch Alkoholunfälle schwer verletzt oder getötet werden, vor allem in den Nachtstunden am Wochenende. Für sie die wichtigste Botschaft: «Alkohol am Steuer ist nie die richtige Entscheidung.»

Der Escape-Room «Drive Out» ist nur eines von zahlreichen Projekten des Vereins, der zum Verbund der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich gehört. Zum 30-jährigen Jubiläum im vergangenen Jahr wurden alle Angebote und Dienstleistungen kritisch reflektiert, um sie noch besser auf die Zielgruppe auszurichten. Denn: Prävention muss dort stattfinden, wo sich die Zielgruppe aufhält und mit dem Thema auseinandersetzt. In der Schule, vor Nachtclubs oder in Lehrbetrieben. Zudem müssen sich Präventionsbotschaften von konkurrierender Werbung abheben und auffallen.

«Alkohol am Steuer ist nie die richtige Entscheidung.»

Am wirksamsten ist aber immer noch das Erlebnis selbst. So verfügt der Verein über Fahrsimulatoren und Rauschbrillen, die bei Roadshows in Sekundarschulen eingesetzt werden. Diese Angebote werden nun durch den neuen Escape Room ergänzt, der zielgruppengerecht beworben wird. So erhalten erfolgreiche Absolvierende der Fahrprüfung im Kanton Zürich einen Gutschein für das Escape-Abenteuer. 

Dass die Prävention auch nach drei Jahrzehnten wichtig bleibt, zeigt ein Blick in die Statistik. Im Vergleich zu den Vorjahren ist 2022 ein starker Anstieg der Verkehrsunfälle zu verzeichnen. 

Am Ende war es ganz knapp: Nur 47 Sekunden blieben uns, als wir endlich den Trink-Fahr-Konflikt lösen konnten. Zu lange hatten wir an diesem einen Rätsel geknobelt und immer wieder neue Ansätze ausprobiert, bis es endlich klappte – wir schieben es auf den imaginären Kater.

Zur Belohnung bekommen wir an der hauseigenen Bar eine Karte mit alkoholfreien Getränken in die Hand gedrückt. Wir wählen zwischen verschiedenen Mocktails wie CaipirOhni oder MangoPassion. Tanja Wilke, Leiterin der Kommission Motorfahrzeug des SVV, hat uns als Vorstandsmitglied von «Am Steuer Nie» begleitet. Sie mixt uns die bestellten Drinks, während wir an der Wand neben der Bar verschiedene Statements von ihr und anderen Vorstandsmitgliedern hören.  

«Uns war es wichtig, mit jedem Rätsel eine Botschaft mitzugeben, ohne dabei belehrend oder aufdringlich zu wirken.»

Die Statements stammen aus dem Podcast-Format «Smart Talk», einem weiteren ASN-Projekt, bei dem interessante Fragen direkt von Profis beantwortet werden. Zum Beispiel: Wo im Auto sollte eine stark betrunkene Person sitzen, wenn man sie nach Hause fährt? Wilke ist aus Überzeugung im ASN-Vorstand. Während sie Eiswürfel in eines der Gläser schüttet, sagt sie: «Die Jugend ist unsere Zukunft, die müssen wir schützen.»

Mit ihr hinter der Bar steht Tobias Riethmann, der den Escape Room mitkonzipiert hat und ihn nun betreut. Rund drei Monate haben er und sein Team gebraucht, bis die Räumlichkeiten eingerichtet, die Elektronik gelötet und alles fertig programmiert war. «Uns war es wichtig, mit jedem Rätsel eine Botschaft mitzugeben, ohne dabei belehrend oder aufdringlich zu wirken.» sagt er, den Shaker schüttelnd, zur Planung des Escape Rooms. 

Als wir auf unseren Erfolg anstossen, sind wir uns einig: «Drive Out» hat sein Ziel sogar übertroffen. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Escape Room voller Überraschungen, der mit den zahlreichen Pendants in der Stadt locker mithalten kann. Der zusätzliche Lerneffekt, die Drinks und das Erinnerungsfoto zum Schluss runden das Erlebnis ab. 

Wer «Drive Out» spielen möchte, sollte sich allerdings beeilen: wie so oft im Zürcher Trendquartier ist auch dieses Angebot eine Zwischennutzung und somit befristet bis zum 15. September 2024.