SVV warnt vor Erosion marktwirtschaftlicher Prinzipien im Krankenzusatzgeschäft
Der SVV fordert dazu auf, den Nutzen marktwirtschaftlicher Prinzipien im Gesundheitswesen nicht zu verkennen. Gerade in Zeiten steigender Gesundheitskosten sind Zusatzleistungen – und deren Versicherung – ein wirksames Instrument, um bestehende Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Innovationen im Spitalwesen zu fördern. Das vom SVV erarbeitete Branchenframework legt dabei die Grundlage für Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Abrechnung.
Was ist ein komfortabler Platz wert? Und wie viel ein persönlicher Service? Fragen, die man sich bei der Buchung eines Flugs oder einer Reise mit dem Zug ebenso stellt wie bei der Planung eines Spitalaufenthalts. «Interessanterweise erwartet man bei einer Fluggesellschaft aber nie, dass der Aufpreis für den Businesstarif den tatsächlichen Mehrkosten für das edlere Mittagsmenü oder den breiteren Sitz entspricht», beantwortet Urs Arbter, Direktor des SVV, die rhetorischen Fragen bei einem Mediananlass vom 29. April 2024 in Bern gleich selbst. Denn es sei unbestritten, dass neben den Kosten auch der wahrgenommene Kundennutzen für die Preisgestaltung ausschlaggebend ist. «Warum aber sollen für freiwillige Mehrleistungen im Gesundheitswesen andere Massstäbe gelten als sonst in der Marktwirtschaft?»
Marktwirtschaftliche und sozialpolitische Komponenten ergänzen sich
«Das Gesundheitssystem muss für alle diskriminierungsfrei zugänglich sein – das steht ausser Frage und ist in der Schweiz durch das Grundversicherungssystem gewährleistet», betont Arbter. Gleichzeitig halte das Schweizer Gesundheitssystem explizit die Möglichkeit offen, dass Patientinnen und Patienten darüberhinausgehende Zusatzleistungen in Anspruch nehmen können – Leistungen, für die ein Bedürfnis besteht, die aber nicht von der ohnehin schon stark belasteten Allgemeinheit getragen werden sollen. Dass die Patientenperspektive entsprechend auch bei der Preisfindung im Zentrum stehe, sei nur folgerichtig.
Mit der Zweiteilung in Grund- und Zusatzversicherung hat der Gesetzgeber explizit die Möglichkeit vorgesehen, diese Mehrleistungen eigenverantwortlich und damit individuell zusätzlich zu versichern. «Die Zusatzversicherung ist das marktwirtschaftliche Element in einem stark regulierten Gesundheitsmarkt», sagt Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel und Vorstandsmitglied des SVV.
Darauf sind zudem auch viele Spitäler angewiesen, wie eine aktuelle Studie von Ernst & Young deutlich macht. Denn ohne die Einnahmen aus den Spitalzusatzversicherungen könnten viele Spitäler – insbesondere jene mit grossem VVG-Volumen – kein positives Betriebsergebnis erwirtschaften und sich somit nicht ausreichend selbst finanzieren, geschweige denn in medizinische Innovationen investieren.
Markt hat eine regulierende Wirkung
Regulative Instanzen im Markt funktionieren: Einerseits sorgt die Finanzmarktaufsicht bereits heute dafür, dass Krankenversicherungsprämien nicht missbräuchlich sind – sie begrenzt die Gewinne, die Versicherer mit Zusatzversicherungen machen dürfen und wacht darüber, dass die mit den Prämien gedeckten Kosten wirtschaftlich und transparent hergeleitet werden können.
Andererseits sind auch die Versicherer selbst aktiv und verhandeln regelmässig mit den Leistungserbringern, um die Preise möglichst tief zu halten. Das «Branchenframework Mehrleistungen VVG» legt dabei die Grundlage für mehr Nachvollziehbarkeit und Transparenz bei der Leistungsabrechnung, damit sowohl die Versicherer als auch die Patientinnen und Patienten die Kosten besser kontrollieren und einschätzen können.
Die Umsetzung des Branchenframeworks zur Stärkung der Transparenz ist auf Kurs
Das im Jahr 2021 gestartete Projekt schreitet weiter voran: Von den rund 1700 anzupassenden Verträgen sind mittlerweile 41,3 Prozent umgesetzt, wie die letzte Messung im März 2024 ergeben hat. Bei der Umsetzung des Frameworks sind jedoch nicht nur die Verträge anzupassen, sondern auch die Tarifsysteme als Grundlage für transparente und nachvollziehbare Abrechnungen. «Die intensive Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern und den Krankenzusatzversicherern hat bereits Früchte getragen», sagt Philomena Colatrella zum Stand des Projekts. Sie ist CEO der CSS und Präsidentin des Steuerungsausschusses des Branchenprojekts.
Appell an Behörden und Politik
Mit transparent ausgewiesenen Mehrleistungen können Krankenzusatzversicherungen dazu beitragen, die Grundversicherung zu entlasten. Gerade die Ambulantisierung der Medizin, die Digitalisierung und der laufende medizinische Fortschritt bieten ein grosses Potenzial. Dazu brauche es Anstrengungen aller Akteure, betont Colatrella: «Die Leistungserbringer müssen ihr Angebot besser differenzieren, die Versicherer darauf basierende, attraktive Produkte und Dienstleistungen erarbeiten und die Aufsicht eine flexiblere, auf die medizinische Entwicklung reagierende Produktgestaltung zulassen.»
Erodieren die heute wirksamen Marktmechanismen in der Krankenzusatzversicherung jedoch weiter, erhöht dies den Kostendruck in der Grundversicherung. «Der SVV appelliert an Behörden und Politik, sich am gesetzlichen Rahmen zu orientieren, damit sich die Krankenzusatzversicherung auch in Zukunft weiterentwickeln und ihren Nutzen für Individuum und Gesellschaft voll entfalten kann», betont der Direktor des Versicherungsverbandes.
Hinweis an die Redaktion
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV vertritt die Interessen der privaten Versicherungswirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene. Er zählt rund 70 Mitglieder, darunter global tätige Erst- und Rückversicherer sowie zahlreiche national ausgerichtete und spezialisierte Sach-, Lebens- und Krankenzusatzversicherer. Die Branche zählt zu den produktivsten und wertschöpfungsstärksten Wirtschaftszweigen. Die Privatversicherer beschäftigen in der Schweiz rund 50’000 Mitarbeitende. Mit ihrer Expertise in der Absicherung von Risiken und der Prävention von Gefahren übernehmen sie volkswirtschaftliche Verantwortung: Die Privatversicherer leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Wirtschaftssystems und zum Wohlstand in der Schweiz. Der SVV setzt sich deshalb für eine nachhaltige Entwicklung der Branche und ihrer Standorte ein.
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