Sessionsbrief Frühlingssession 2025
Gute Rahmenbedingungen sichern die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherer langfristig – zugunsten der gesamten Volkswirtschaft.
Im Sessionsbrief nimmt der SVV Stellung zu politischen Themen, die für die Versicherer relevant sind und in der Frühlingssession 2025 beraten werden.
Ständerat
Ständerat
24.3921 Wasserfallen, 24.4047 Broulis, 24.4066 Gapany
Die Motionen 24.3921, 24.4047 und 24.4066 wurden im September 2024 kurz vor respektive nach der Volksabstimmung zur Reform der beruflichen Vorsorge eingereicht.
Der SVV empfiehlt die Ablehnung der Motionen:
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Beurteilung
Die drei Motionen thematisieren die Versicherung von tiefen Einkommen, namentlich infolge Teilzeit- und/oder Mehrfachbeschäftigung. Es werden Anpassungen bei der Eintrittsschwelle, bei der Ausgestaltung des Koordinationsabzuges oder in Bezug auf die Berücksichtigung von parallelen Anstellungen vorgeschlagen.
In seinen Stellungnahmen zu allen drei Motionen weist der Bundesrat darauf hin, dass in Erfüllung des Postulats Rechsteiner Thomas (23.4168 «Situation der Mehrfachbeschäftigten in der zweiten Säule verbessern») derzeit ein Bericht ausgearbeitet wird, der insbesondere eine Bestandsaufnahme der Möglichkeiten zur Verbesserung der beruflichen Vorsorge für Mehrfachbeschäftigte liefern werde.
Nach Ansicht des SVV ist dieser Bericht, der die erwähnten Themen umfassend berücksichtigt und im Gesamtzusammenhang analysiert, abzuwarten. Die erwähnten Motionen werden vor diesem Hintergrund, wie vom Bundesrat beantragt, zur Ablehnung empfohlen.
Beratungstermin: Donnerstag, 6. März 2025
24.3920 Mo. Crevoisier Crelier. Berücksichtigung der Care-Arbeit endlich auch in der zweiten Säule
Die Motion 24.3920 wurde am 19. September 2024 eingereicht.
Der SVV empfiehlt die Ablehnung der Motion. |
Beurteilung
Gemäss Art. 113 Abs. 2 der Bundesverfassung ist die berufliche Vorsorge für Arbeitnehmende obligatorisch und für Selbständigerwerbende freiwillig. Die Versicherung von unbezahlten Tätigkeiten wie die Betreuung von Angehörigen oder die Abdeckung von Phasen ohne Erwerbstätigkeit ist nicht vorgesehen. Laut Bundesrat wäre deshalb für die Umsetzung der Motion eine Verfassungsänderung notwendig. Der Sozialausgleich zur Berücksichtigung von Care-Arbeit ist in der 1. Säule vorgesehen und verankert und wäre in der 2. Säule systemfremd.
Die Erziehungs- und Betreuungsgutschriften in der 1. Säule (AHV) werden dem individuellen Konto der versicherten Person gutgeschrieben und bilden ein fiktives Einkommen. In vielen Fällen sind die Gutschriften nur teilweise rentenbildend. In der zweiten Säule wären die Gutschriften hingegen real und hätten hohe Zusatzbeiträge zulasten der Unternehmen und der aktiven Versicherten zur Folge.
Die Finanzierung der beruflichen Vorsorge ist dezentral in den einzelnen Vorsorgeeinrichtungen organisiert. Zur Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften müsste deshalb ein extrem anspruchsvoller Ausgleichsmechanismus zwischen den Vorsorgeeinrichtungen eingerichtet werden, und die Finanzierung der Gutschriften bei Personen, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind, könnte nicht über das bestehende System geregelt werden.
Die vorgeschlagene Umlagefinanzierung über den Sicherheitsfonds BVG würde unerwünschte Querfinanzierungen nach sich ziehen und falsche Anreize schaffen: Kinderlose Personen mit tiefen Einkommen müssten die Gutschriften oder Rentenzuschläge für ältere, gut situierte Personen mit Kindern mitfinanzieren. Und mit zunehmendem Einkommen abnehmende Gutschriften würden für die Reduktion von Arbeitspensen sprechen.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen empfiehlt der SVV die Ablehnung der Motion.
Beratungstermin: Donnerstag, 6. März 2025
24.4198 Mo. Maillard. Dem Kaufkraftverlust der Renten in der zweiten Säule entgegenwirken
Die Motion 24.4198 wurde am 27. September 2024 eingereicht.
Der SVV empfiehlt die Ablehnung der Motion. |
Beurteilung
Die Altersrenten aus der beruflichen Vorsorge sind im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Vorsorgeeinrichtung der Preisentwicklung anzupassen (Art. 36 Abs. 2 und 3 sowie Art. 49 Abs. 2 Zf. 5 BVG). Das paritätische oder das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung entscheidet jährlich darüber, ob und in welchem Ausmass die Renten angepasst werden. Die Vorsorgeeinrichtung erläutert in ihrer Jahresrechnung oder in ihrem Jahresbericht die entsprechenden Beschlüsse. Da die Vorsorgeeinrichtungen ihre Leistungen jederzeit garantieren müssen, muss jede Rentenerhöhung durch entsprechende Mittel gedeckt sein, die für ihre Zahlung während der gesamten Restlaufzeit erforderlich sind. Die Teuerungsanpassung laufender Renten ist deshalb mit erheblichen Kosten verbunden.
Für die künftigen Renten müsste die Finanzierung des Teuerungsausgleichs über eine Senkung des Umwandlungssatzes erfolgen. Die Vorfinanzierung einer inflationsgeschützten (bzw. «teuerungsversicherten») Altersrente hätte allerdings zur Folge, dass der Umwandlungssatz und somit die Anfangsrente bei der Pensionierung rund 20 bis 25 Prozent tiefer zu liegen kämen als ohne Teuerungsversicherung.
Für die laufenden Renten könnte ein Teuerungsausgleich nur zulasten der aktiven Versicherten und der Arbeitgeber finanziert werden. Damit würde jedoch eine erhebliche unerwünschte Querfinanzierung von den aktiven Versicherten zu den Rentnerinnen und Rentner eingeführt.
In der Praxis richten viele Vorsorgeeinrichtungen Einmalzahlungen aus, wenn und soweit ihre finanzielle Situation dies zulässt. Den Vorsorgeeinrichtungen ist möglichst freie Hand zu lassen, damit sie kassenspezifisch die richtigen Massnahmen ergreifen können. Entsprechende Modelle wurden bei verschiedenen Pensionskassen bereits eingeführt bzw. umgesetzt.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen empfiehlt der SVV die Ablehnung der Motion.
Beratungstermin: Donnerstag, 6. März 2025
24.4496 Mo. Poggia. Um das direkte Forderungsrecht gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen, muss man diesen ausfindig machen können!
Die Motion 24.4496 wurde am 19. Dezember 2024 eingereicht.
Der SVV empfiehlt die Ablehnung der Motion. |
Beurteilung
Bewusste Differenzierung im Rahmen der letzten VVG-Revision
Der Gesetzgeber nimmt in der per 1. Januar 2022 in Kraft getretenen (und auch vom Motionär in seiner Begründung vorgebrachten) VVG-Revision bewusst eine Differenzierung zwischen obligatorischer und freiwilliger Haftpflichtversicherung vor. So wird in Art. 60 Abs. 3 VVG geschädigten Dritten das Recht auf Kenntnis der zuständigen Haftpflichtversicherung in denjenigen Fällen eingeräumt, in denen eine Haftpflichtversicherung obligatorisch ist – im Gegensatz zu Fällen, in denen kein Obligatorium besteht. In Haftungskonstellationen ohne Versicherungsobligatorium wird dem Haftpflichtigen der Entscheid überlassen, einen Fall selbst zu begleichen oder seine Versicherung beizuziehen, sofern eine entsprechende Police abgeschlossen wurde. Die nun vorgeschlagene Anpassung würde ein Zurückkommen auf diesen erst vor kurzem festgehaltenen Willen des Gesetzgebers bedeuten.
Handlungsbedarf nicht belegt – keine Umsetzungsprobleme bekannt
Dem SVV sind keine systematischen Umsetzungsprobleme zum direkten Forderungsrecht bekannt. Die meisten Haftpflichtfälle stammen aus Bereichen, in denen es ein Versicherungsobligatorium gibt (z. B. Strassenverkehr). Insbesondere in letzterem gelangen die Geschädigten problemlos zu den Koordinaten der zuständigen Haftpflichtversicherung. Inwieweit es bei freiwilligen Haftpflichtversicherungen zu einer Verweigerung der Auskunft des Schädigenden in Bezug auf sein Versicherungsunternehmen kommt, wodurch das direkte Forderungsrecht nicht umgesetzt werden kann, wäre mit konkreten Zahlen zu belegen.
Administrativ anspruchsvolle und kostentreibende Umsetzung
Der SVV zweifelt schliesslich an der Praktikabilität der vom Motionär vorgeschlagenen Umsetzung. So kann beispielsweise die Meldung aller Namen und Policennummern an eine Auskunftsstelle das Anliegen nicht adressieren. Privathaftpflichtversicherungspolicen können nämlich mehrere Personen eines Haushalts mitversichern, ohne dass die Versicherung die Namen der mitversicherten Personen kennt. So könnte die Versicherung einer zu definieren-den Auskunftsstelle nur den Namen des Policenhalters bekanntgeben. Aus dem gleichen Grund ist die Idee nicht umsetzbar bei Kollektivversicherungen (z. B. Police des Altersheims für alle Bewohner oder Police eines Verbandes für seine Mitglieder). Schliesslich verortet der SVV beträchtliches Missbrauchspotenzial. Ohne eine umfassende Berechtigungsprüfung könnte jede Person bei der Auskunftsstelle die Haftpflichtversicherung einer beliebigen Person erfragen und dann bei dieser Versicherung einen (fiktiven) Schaden anmelden. Der resultierende administrative Mehraufwand für die Versicherer trüge Kostenfolgen für die Versichertengemeinschaft.
Zusammenfassend zweifelt der SVV mit dem aktuellen Wissensstand an der Relevanz des in der Motion geschilderten Sachverhalts und erachtet eine mögliche Umsetzung als administrativ sehr anspruchsvoll und kostentreibend. Er empfiehlt daher die Ablehnung der Motion.
Beratungstermin: Montag, 10. März 2025
Nationalrat
24.074 UVG (Finanzierung der Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer). Änderung
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung am 18. Oktober 2024 mit 17 zu 8 Stimmen angenommen.
Der SVV empfiehlt die Annahme der Vorlage (= gem. SGK-N). |
Beurteilung
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV war Teil des vom Bundesrat eingesetzten Runden Tisches, der im November 2016 zur Gründung des Fonds für die finanzielle Entschädigung von Asbestopfern führte. Der SVV hat sich mit einem freiwilligen Beitrag der Assekuranz massgeblich an der Äufnung des Fonds beteiligt.
Zusammen mit anderen Wirtschaftskreisen hat sich der SVV in Folge dafür eingesetzt, dass auch die Suva die Möglichkeit erhält, Zahlungen in den Entschädigungsfonds zu leisten. Mit der nun vorliegenden Anpassung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) wird dieses Anliegen der Wirtschaft in die Tat umgesetzt.
Der SVV begrüsst die Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Grundlage in Art. 67 b Abs. 1 UVG und deren Umsetzung in Art. 67 b Abs. 2 UVG. Er unterstützt die geplante Gesetzesänderung vollumfänglich.
Beratungstermin: Montag, 3. März 2025
21.082 BRG. Zivilprozessordnung. Änderung
Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) beantragt ihrem Rat mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, nicht auf die Vorlage zum kollektiven Rechtsschutz einzutreten.
Der SVV empfiehlt, nicht auf die Vorlage einzutreten (= gem. Mehrheit RK-N). |
Ausgangslage
Der SVV lehnt die Vorlage zur Einführung von Sammelklagen als Teil einer breiten Allianz ab. Die Versicherungswirtschaft wäre von der Vorlage doppelt betroffen: Als potenziell beklagte Unternehmen wie auch via Haftpflichtversicherung von beklagten Firmenkunden.
Die Analyse des SVV zeigt, dass die Vorlage tiefgreifende negative Systemänderungen im Schweizer Rechtssystem auslösen würde; mit entsprechend klar negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Ein Blick in europäische Länder verdeutlicht, dass die Einführung von Sammelklagen zur Ansiedlung und ständigen Ausweitung einer professionellen Klageindustrie geführt hat. Dies hat zu einer prozess- und streitfreudigen Rechtskultur beigetragen, die man in der Schweiz unbedingt vermeiden sollten.
Gerichtsklagen sind kostspielig, zeitaufwendig und mit einem ungewissen Ausgang verbunden. Es gibt alternative Streitbeilegungsinstrumente, insbesondere aussergerichtliche Instrumente wie etwa Ombudsstellen. Diese sind für Konsumentinnen und Konsumenten der bessere Weg, denn sie sind – im Gegensatz zu Klagen – günstig (oft gar gratis), schnell, niederschwellig zugängig und auch für kleinere Beträge wirksam. In der Schweiz gibt es bisher rund zehn solcher Stellen, unter anderem auch die «Stiftung Ombudsman der Privatversicherungen und der Suva».
Der SVV empfiehlt, der Mehrheit der Kommission zu folgen und nicht auf die Vorlage einzutreten.
Beratungstermin: Montag, 17. März 2025