«Die Ver­si­che­rungs­wirt­schaft un­ter­stützt Be­völ­ke­rung und Volks­wirt­schaft in der Ri­si­ko­be­wäl­ti­gung»

Zwischen Tenero und Ascona führte ein einziges Hagelereignis am Freitagabend des 25. August 2023 zu grossen Schäden an Gebäuden, Hausrat und Motorfahrzeugen.

«Der versicherte Schaden wird auf über 300 Millionen Franken geschätzt», sagt Eduard Held, Leiter Bereich Nichtleben und Rückversicherung beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV. Bei diesem Ereignis liegen der ökonomische und der versicherte Schaden sehr nahe beieinander, weil praktisch alles versichert sei. Ein Hagelereignis beschädigt in erster Linie Dächer, Fassaden und Fahrzeuge. Zum Dach gehören auch Dachfenster und Solarpanels. 

Ein Blick auf die Landkarte veranschaulicht die Dimensionen: Die betroffene Fläche rund um Locarno zählt lediglich etwa 50 Quadratkilometer, und das «Hagelereignis Locarnese» dauerte nicht einmal eine Stunde. Die Versicherungswirtschaft schätzt die Gesamtanzahl der Schadenfälle auf über 20’000. 

Höhere Durchschnittsschäden wegen Solarpanels
Gründe für die hohe versicherte Schadensumme seien neben der Heftigkeit des Hagelereignisses die zunehmenden Schadenempfindlichkeiten, was sich in gestiegenen Durchschnittsschäden zeigt, erklärt Eduard Held. Kostentreiber sind dabei empfindlichere Materialien, welche für Fassaden verwendet werden, sowie Dächer, welche zunehmend mit Solarpanels ausgerüstet sind. «Hagelkörner ab einem Durchmesser von drei Zentimetern können zu Schäden an Solarpanels führen», sagt Eduard Held. Beim «Hagelereignis Locarnese» wurden Hagelkörner mit einem Durchmesser von bis zu sieben Zentimeter gemessen, wobei die meisten Hagelkörner einen Durchmesser von zwei bis fünf Zentimetern hatten.

Aufgrund der hohen Anzahl Schäden standen die Versicherungsgesellschaften vor grossen Herausforderungen. Schadenbesichtigung und Schadenregulierung waren eine Herkulesaufgabe. Die Situation erforderte viel Flexibilität, um die Versicherten rasch und unbürokratisch zu entschädigen.

Ein Prozent des BIP: Dank den Privatversicherern bleibt das Geld in der Wirtschaft
Der Kanton Tessin zählt ca. 350’000 Einwohnerinnen und Einwohner und das Bruttoinlandprodukt betrug im Jahr 2021 33’181 Millionen Franken. Stellt man dieser Zahl die versicherten Schäden von rund 300 Millionen Franken gegenüber, wird ersichtlich, dass die Privatversicherer rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgeben. «Dieses Geld bleibt in der Wirtschaft und geht zu den Dachdeckern, den Autowerkstätten und weiteren Handwerksbetrieben», erklärt Samuele Donnini, Präsident ASA Sezione Ticino, die kantonale Organisation der Privatversicherer im Tessin. «Das Beispiel veranschaulicht, welchen konkreten volkswirtschaftlichen Nutzen die Versicherer leisten, indem sie dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Risikobewältigung gerecht werden», betont Samuele Donnini weiter.

Fachkräftemangel und Nachfrage treiben die Preise in die Höhe
Das Ereignis verdeutlichte auch den Fachkräftemangel in den Handwerksberufen, etwa bei den Dachdeckern. Wegen dem Mangel an Arbeitskräften und den damit verbundenen längeren Wartezeiten mussten Dächer provisorisch abgedeckt werden.
 

Klimawandel: Keine Zunahme von extremen Hagelereignissen
«Die Frage, ob der Klimawandel zu häufigeren oder intensiveren Hagelstürmen führt, lässt sich nicht beantworten. Es gibt heute keine statistisch relevanten Hinweise dafür, dass die Häufigkeit solcher extremen Hagelereignisse zunehmen würde», sagt Eduard Held.  
Sicher ist: Das Ereignis reiht sich ein in eine Serie von diesjährigen Sommerunwettern, zu denen auch der Sturm in La Chaux-de-Fonds vom 24. Juli 2023 und die Hagelstürme in mehreren Regionen Norditaliens und Deutschlands zählen. In Italien seien die Schadensummen von diesem Sommer teilweise so hoch gewesen, dass auch die global tätigen Rückversicherer betroffen gewesen seien. 

Schadenausgleich dank Solidaritätsprinzip im Elementarschadenpool
In der Schweiz stellt Hagel nach der Überschwemmung die zweitgrösste Naturgefahr dar, gefolgt von Sturm auf dem dritten Platz. Gemeinsam mit Hochwasser, Lawinen, Felssturz, Schneedruck, Steinschlag und Erdrutsch gehören diese zu den neun Elementargefahren, die in der Elementarschadenversicherung gedeckt sind. 

Im Kanton Tessin fallen Schäden bei Naturereignissen für die Privatversicherer besonders ins Gewicht: Das Tessin zählt neben den Kantonen Genf, Uri, Schwyz, Appenzell Innerrhoden, Wallis und Obwalden zu den Gustavo-Kantonen, in denen die Privatversicherer neben Hausrat und Fahrhabe auch Gebäude gegen Feuer- und Elementarschäden versichern.

Bei einem solchen Hagelereignis sorgt der Elementarschadenpool für einen Schadenausgleich zwischen den Gesellschaften. «Nicht alle Versicherungsgesellschaften waren gleich betroffen. Damit jene Gesellschaften, die in der Region Locarno einen hohen Marktanteil haben, nicht bestraft werden, springen jene ein, die gemäss ihrem Marktanteil nur eine unterdurchschnittlich hohe Schadenlast verzeichnet haben. So funktioniert das einzigartige Solidaritätsprinzip des Elementarschadenpools», erklärt Eduard Held.

Nicht nur die Versicherungsgesellschaften, sondern auch die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren vom Solidaritätsprinzip: Denn obwohl der Kanton Tessin stärker hagelgefährdet ist als andere Regionen, bezahlen die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer überall die gleichen Prämienraten.