Unzureichende Vorsorgeplanung: Bundesrat legt die Pandemieversicherung auf Eis
Der Bundesrat hat am 31. März 2021 entschieden, das Konzept einer Pandemieversicherung nicht fortzuführen. Er signalisiert damit, dass er dem grössten gesellschaftlichen Risiko nicht mit einer Vorsorgeplanung entgegentreten will. Stattdessen bevorzugt er auch bei einer nächsten Pandemie Ad-hoc-Lösungen für die Geschädigten. Der Schweizerische Versicherungsverband SVV bedauert diesen Entscheid, hat er doch mit den Bundesbehörden mögliche Versicherungslösungen für künftige Pandemien ausgearbeitet.
Bundesbehörden und Vertreter der Schweizer Versicherungswirtschaft haben in den vergangenen Monaten in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe intensiv an Lösungsansätzen gearbeitet, die die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie künftig besser absichern sollen. Diese auf einer Partnerschaft zwischen Versicherten, Bund und Privatversicherern beruhende Versicherungslösung hätte es ermöglicht, das Pandemierisiko angemessen vorzufinanzieren – und im Bedarfsfall die Schadenzahlungen rasch und geordnet abzuwickeln. Trotz der vom zuständigen Departement attestierten grundsätzlichen Machbarkeit einer Pandemieversicherung will der Bundesrat mit dem Hinweis auf die angeblich fehlende Unterstützung der Wirtschaft und das Fehlen einer Verfassungsgrundlage die Arbeiten am Konzept nicht fortführen. Selbstredend will er damit auch künftig am heutigen Ad-hoc-Ansatz mit Instrumenten wie der Härtefallregelung und an der Schuldentilgung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der jetzigen und der künftigen Generationen festhalten.
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV hat für die Haltung des Bundesrats kein Verständnis. Sie steht im Widerspruch zur aktuellen nationalen Risikoanalyse von Katastrophen und Notlagen. Der Bund selbst beurteilt im Bericht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz BABS vom November 2020 die Pandemie als grösstes Risiko unserer Gesellschaft. Sowohl die nationale als auch andere Risikoanalysen im In- und Ausland kommen demnach zum Schluss, dass von einer Pandemie ein sehr hohes Risiko ausgeht. Grund dafür ist die Kombination aus einer hohen Häufigkeit und sehr grossen Schadensausmassen. Im Lichte dieser Risikoanalyse ist es für den SVV nicht nachvollziehbar, weshalb die Landesregierung jetzt – bei weiter grassierender Coronapandemie und im Wissen um die schon jetzt entstandenen massiven wirtschaftlichen Schäden – auf die Fortführung der Konzeptarbeiten verzichtet. Mit diesem Entscheid wird dem vom Bund propagierten Modell des integralen Risikomanagements keine Rechnung getragen, sieht dieses doch vor, die erkannten Risiken mit geeigneten Massnahmen – und dazu gehören auch die Vorsorgeplanung beziehungsweise die Prävention – auf ein vertretbares Mass zu reduzieren. Mit dem beschlossenen Verzicht auf die Weiterführung des Konzepts «Pandemieversicherung» als Teil der Vorsorgeplanung wird auch den Erwartungen der Politik, die eine solche Vorsorgeplanung im Rahmen mehrerer parlamentarischer Vorstösse verlangt, keinerlei Rechnung getragen.
Der SVV und die ihm angeschlossenen Schweizer Privatversicherer beurteilen die ablehnende Haltung des Bundesrats auch aus technischer Sicht als «nicht opportun». Risiken wie eine Pandemie verletzen zentrale Prinzipien der Versicherbarkeit: Schäden treten gleichzeitig und bei fast allen ein und verunmöglichen dadurch die Risikostreuung. Pandemien sind deshalb rein privatwirtschaftlich grundsätzlich nicht versicherbar. Das BABS hat im erwähnten Bericht weitere Toprisiken wie beispielsweise grossflächige Stromausfälle oder globale Cyberattacken identifiziert, die die Schweiz bedrohen. Auch für einige dieser Risiken gibt es keine rein privatwirtschaftlichen Versicherungslösungen. Umso wichtiger ist es, für derartige Grossrisiken frühzeitig gemeinsame Lösungsansätze zu suchen. Die Versicherungswirtschaft ist bereit, zum Umgang mit Toprisiken ihren Beitrag zu leisten. Sie kann mit ihrer Expertise, der bestehenden Infrastruktur und den Kundenbeziehungen massgeblich dazu beitragen, dass Leistungen im Schadenfall schnell und bedarfsgerecht ausbezahlt werden können. Davon profitieren sowohl der Bund, dessen administrativer Aufwand sich reduziert, als auch betroffene Unternehmen, die im Schadenfall rasch und gezielt entschädigt werden. Letztlich geht es darum, die Gesamtlast durch vernünftige und zweckdienlich wirkende Anreize zu minimieren.
Die Schweizer Privatversicherer setzen sich trotz des negativen Entscheids der Landesregierung auch weiterhin für eine Lösung ein, die die wirtschaftlichen Folgen einer künftigen Pandemie beziehungsweise eines staatlich verordneten Lockdowns besser aufzufangen vermag. Um dies zu erreichen, hat der SVV weitere Lösungsansätze ausgearbeitet. Diese sind zusammen mit den zwei Varianten, die im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe aus Verwaltung und Versicherungswirtschaft detailliert vorgestellt worden sind, in einer Übersichtstabelle dargestellt.
Hinweis an die Redaktion
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV vertritt die Interessen der privaten Versicherungsbranche auf nationaler und internationaler Ebene. Dem Verband gehören rund 70 Erst- und Rückversicherer an, die in der Schweiz 46’000 Mitarbeitende beschäftigen. Insgesamt entfallen rund 85 Prozent der im Schweizer Markt erwirtschafteten Versicherungsprämien auf die Mitgliedgesellschaften des SVV. Dies macht die Versicherungsbranche und damit den SVV zu einer massgeblichen Kraft am Standort Schweiz. Die Privatversicherer engagieren sich deshalb in wirtschaftlicher, als auch in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht für eine erfolgreiche Entwicklung ihrer Standorte und übernehmen damit volkswirtschaftliche Verantwortung.
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