Mehr Trans­pa­renz für Mehr­leis­tun­gen

Kontext

So klar die Vision, so komplex in der Umsetzung: Die Krankenzusatzversicherer setzen sich für mehr Nachvollziehbarkeit und Transparenz in der Abrechnung von Spitalzusatzversicherungen ein. Nachdem im Januar 2022 mit der Inkraftsetzung des Branchen-Frameworks «Mehrleistungen VVG» der erste Meilenstein geschafft war, befindet sich das Projekt jetzt mitten in der Umsetzung. Und die hat es in sich. 

Im Grunde ist das Prinzip einfach: Die Spitalzusatzversicherung ist dazu da, Gesundheitsleistungen zu finanzieren, die nicht über die obligatorische Grundversicherung abgedeckt sind. In der Praxis wurde es trotzdem oft mal unübersichtlich. Welchen Anteil hat das Einzelzimmer an der Gesamtrechnung? Mit wieviel Franken schlägt die Verfügbarkeit des Chefarztes zu Buche? Und was kostet das erhöhte Betreuungsverhältnis im Privatspital? Unverständliche Abrechnungen waren immer wieder ein Thema – nicht nur in Konsumentenmagazinen. Der Krankenversicherungsbranche war es daher ein wichtiges Anliegen, die Leistungen der obligatorischen Grundversicherung nach KVG besser von jenen der freiwilligen Spitalzusatzversicherung nach VVG abzugrenzen.

Branchen-Framework war erst der Anfang

Mit dem seit 2022 gültigen Branchen-Framework «Mehrleistungen VVG» ist nun ein gemeinsames Massnahmenkonzept gefunden: Die Krankenzusatzversicherer haben elf Grundsätze zur Definition, Bewertung sowie Abrechnung von Mehrleistungen entwickelt, die den Mindeststandard für Verträge mit Gültigkeit ab 2022 darstellen. Zusätzlich zum Branchen-Framework wurden zusammen mit Exponenten vonseiten der Privatspitäler und von Belegarztorganisationen zudem einzelne Grundsätze zur Vergütung ärztlicher Mehrleistungen präzisiert. 

Mit der Einigung auf das Branchen-Framework geht die Arbeit jedoch erst los: Für die nun notwendige Implementierung der Grundsätze ist eine Übergangsphase bis Ende 2024 vorgesehen. In dieser Zeit müssen Abrechnungsmodelle entworfen werden, die dem Framework entsprechen, Detailfragen geklärt und nicht zuletzt Verträge zwischen Versicherern und Leistungserbringern neu verhandelt werden. 

Tarifmodelle sind Grundlage für Transparenz

Ein Hauptfokus in der Umsetzung des Branchen-Frameworks ist die Einführung von Tarifmodellen für eine transparente Abrechnungspraxis. Ausgehend von den festgelegten Grundsätzen müssen Leistungspakete und -parameter gefunden werden, die den Anforderungen des Branchen-Frameworks entsprechen und eine transparente Abrechnung ermöglichen. 

Bei der Erarbeitung dieser Tarifmodelle herrscht ein Ideenwettbewerb: Privatwirtschaftliche Anbieter sind in den Lead gegangen und haben entsprechende Angebote erarbeitet. Als Serviceanbieter stellen sie diese gegen eine Lizenzgebühr Versicherern und Leistungserbringern zur Verfügung. Zu den bekanntesten Anbietern gehören Medicalculis, BBV plus und Swiss Medical Network – viele von ihnen mit starker regionaler Verwurzelung, was auch unterschiedliche Bedürfnisse in den Regionen widerspiegelt. 

Arbeitsgruppe konkretisiert Anforderungen

Mit Unterstützung einer Arbeitsgruppe des SVV werden diese Tarifmodelle von den Anbietern kontinuierlich weiterentwickelt, sodass sie den Anforderungen des Branchen-Frameworks bestmöglich entsprechen. Im Fokus ist dabei der Anspruch, dass die Deklaration der Mehrleistungen für alle beteiligten Akteure klar ersichtlich und die Granularität der Leistungspaketen ausgewogen ist. 

In diesem Zusammenhang wird auch definiert, wie Rechnungen strukturiert sein müssen, um dem Branchen-Framework zu entsprechen. Eine Arbeitsgruppe konkretisiert daher zum Beispiel Anforderungen, die sich für den bereits existierenden «Tarif 930» aus dem Branchen-Framework ergeben. Dieser Spitaltarif ermöglicht bereits heute den elektronischen Datenaustausch zur Rechnungstellung im Krankenzusatzbereich, entspricht jedoch noch nicht den Mindestanforderungen. Die Arbeitsgruppe des SVV arbeitet nun zusammen mit den Verantwortlichen hinter dem Tarif daran, die Konformität herzustellen. 

Verträge müssen neu verhandelt werden

Die grösste Aufgabe liegt aber wohl darin, bestehende Abmachungen zwischen Krankenzusatzversicherern und Leistungserbringern durch neue Mehrleistungsverträge abzulösen, die den Ansprüchen des Branchen-Frameworks entsprechen. Das ist keine leichte Aufgabe: Insgesamt müssen etwa 2000 Verträge neu verhandelt werden. 

Damit überprüft werden kann, wann ein neuer Mehrleistungsvertrag tatsächlich den Anforderungen des Frameworks entspricht, wurden detaillierte Kriterien erarbeitet. Sie konkretisieren die Mindeststandards und klären Unklarheiten, die sich in der Umsetzung ergeben haben. Zum Beispiel legen sie fest, dass im Vertrag ein konformes Tarifmodell vereinbart sein muss, oder spezifizieren Governance-Anforderungen. Die Kriterien sind damit nicht zuletzt eine notwendige Voraussetzung, um den Umsetzungsstand des Projekts überprüfen zu können. 

Um zu evaluieren, welcher Anteil der Verträge bereits dem neuen Branchen-Framework entspricht, führt der SVV eine regelmässige Messung durch. In der Frühlingsmessung im März 2023 wurden 96 Prozent des Marktes zum aktuellen Umsetzungsstand befragt. Zu dem Zeitpunkt waren etwa 24 Prozent der Verträge branchenkonform – dafür aber auch bereits die Hälfte aller Verträge in Verhandlung. Seither lässt sich eine zufriedenstellende Tendenz in der Umsetzung erkennen.

Umsetzung in die Praxis ist komplex

So einfach das Prinzip also tönen mag: Auch dessen Umsetzung ist in der Praxis komplex. Denn es sind viele Akteure beteiligt, die Materie ist vielschichtig und es müssen laufende Prozesse verändert werden – ohne dass es zu einem Unterbruch kommen darf. Umso erfreulicher ist es daher, dass alle beteiligten Stakeholder produktiv zusammenarbeiten und in einem regelmässigen Austausch stehen. So können Umsetzungsschwierigkeiten früh erkannt und notwendige Konkretisierungen pragmatisch adressiert werden.