KMU brau­chen ei­ne leis­tungs­fä­hi­ge be­ruf­li­che Vor­sor­ge

Interview

Nationalrat und Student, Unternehmer und Angestellter – Andri Silberschmidt kennt die Bedeutung der Reform der zweiten Säule von verschiedenen Seiten.

Herr Silberschmidt, Sie sind mit 29 Jahren der jüngste Nationalrat – und seit kurzem wieder Student. Ist es da nicht noch etwas früh, um sich Gedanken über die Altersvorsorge zu machen? 

Andri Silberschmidt: Ganz und gar nicht. Hingegen ist es sicher zu spät, erst mit 55 Jahren zum ersten Mal einen Kontoauszug bei der AHV-Ausgleichskasse zu bestellen und den eigenen Pensionskassenausweis genau zu studieren. Fehlende Beitragsjahre lassen sich in jüngeren Jahren leichter aufholen. Zudem lohnen sich freiwillige Einkäufe oder eine Versicherung über das Obligatorium hinaus für junge Leute noch mehr, weil der sogenannte Zinseszinseffekt wirkt. In diesem Sinne sollte man sich eigentlich schon während der obligatorischen Schulzeit mit unserem Vorsorgesystem auseinandersetzen. 

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Nationalrat Andri Silberschmidt: «Meine berufliche Tätigkeit gibt mir wichtige Impulse für meine politische Arbeit.»

Neben Ihrer Tätigkeit als Nationalrat sind Sie Mitgründer des Gastro-Start-ups Kaisin und arbeiten beim Logistikunternehmen Planzer als Strategieberater und Sekretär des Verwaltungsrates. Haben Ihre unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten Ihre Sichtweise verändert? 

Ja, meine berufliche Tätigkeit gibt mir wichtige Impulse für meine politische Arbeit. Die Gastronomie wie auch die Transportbranche zahlen keine überdurchschnittlichen Löhne und erwirtschaften in der Regel auch keine sehr hohen Gewinne. Trotzdem sehe ich, wie wichtig die berufliche Vorsorge gerade in einem Familienbetrieb wie Planzer ist. Man bietet den Mitarbeitenden eine gute Versicherungsleistung und grösstmögliche Flexibilität. Meine Einblicke geben mir Vertrauen in unser System der beruflichen Vorsorge, weil sich hier viele gut ausgebildete Fachleute mit viel Freude, Engagement und Ehrlichkeit tagtäglich für eine gute Vorsorge «ihrer» Versicherten einsetzen. 

Warum ist die im März 2023 verabschiedete BVG-Reform gerade auch für KMU wichtig? 

Gerade die KMU haben ein Interesse an einer leistungsfähigen beruflichen Vorsorge. Wird das BVG reformunfähig, nimmt auch seine politische Bedeutung ab. Die Anpassung der Altersgutschriften verringert die Benachteiligung älterer Arbeitnehmender. Die Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes ist überfällig, um die unerwünschte Umverteilung zu Lasten der Erwerbstätigen zu reduzieren. Die Senkung des Umwandlungssatzes stärkt die berufliche Vorsorge für Arbeitnehmende mit Teilzeitpensen oder tiefen Einkommen. Dies sind wichtige Schritte, um die berufliche Vorsorge für die Zukunft zu stärken. 

Im Zusammenhang mit der Senkung des Koordinationsabzugs wird oft von «neuen Kosten» gesprochen. Als Unternehmer muss ich sagen, dass es sich für mich eher um Investitionen als um Kosten handelt. Denn dadurch können die Mitarbeitenden mehr Kapital ansparen und erhalten später eine höhere Rente. 

«Die Senkung des Umwandlungssatzes stärkt die berufliche Vorsorge für Arbeitnehmende mit Teilzeitpensen oder tiefen Einkommen.»

Vor allem jüngere Menschen empfinden die BVG-Abzüge vom Lohn oft als Steuer. Dies zeigen zumindest immer wieder Umfragen. Wie kann man diese Wahrnehmung ändern? 

Hier sehe ich vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht. Die Pensionskassenausweise sollten regelmässig mit den Arbeitnehmenden besprochen und offene Fragen geklärt werden. Es ist wichtig, mit den Arbeitnehmenden bewusst über ihre Versicherungssituation zu sprechen. Im Alltag sind sie – zu Recht – mit anderen Fragen konfrontiert. Im Gespräch mit Freunden meiner Generation höre ich oft, dass sie viel Wissen gerne schon früher vermittelt erhalten hätten. Da kann ich noch so oft auf die vielen Erklärvideos und PDF-Broschüren im Internet verweisen. Damit erreicht man meist nur Menschen, die sich ohnehin für das Thema interessieren. Um neue Menschen zu erreichen, braucht es vielmehr eine «Push-Kampagne». 

Wie sieht die Zukunft der beruflichen Vorsorge aus? 

Ich setze mich für ein leistungsfähiges Dreisäulensystem ein. Ich bin überzeugt, dass jede Säule ihre Stärken hat. Unser Vorsorgesystem funktioniert nur gut, wenn jede Säule gesund ist. Angesichts der Alterung der Gesellschaft und der vielen Babyboomer, die bald in Pension gehen, ist es deshalb wichtig, dass wir die gesetzlichen Parameter der Realität anpassen. 

«Unser Vorsorgesystem funktioniert nur gut, wenn jede Säule gesund ist.»

Was heisst das konkret? 

Das Rentenalter soll graduell erhöht werden, um die zusätzlichen Ausgaben in der AHV auch finanzieren zu können. In der beruflichen Vorsorge ist es mir wichtig, dass wir nicht mehr, sondern besser regulieren. Wir sollten uns vor allem am Leistungsziel orientieren, das es zu erreichen gilt, und nicht immer mehr Detailvorgaben machen, wie dieses Ziel zu erreichen ist. So halte ich es auch nicht für sinnvoll, als Gesetzgeber Vorgaben zu versicherungstechnischen Parametern wie dem Umwandlungssatz oder dem technischen Zinssatz zu machen.