Nachhaltig ökonomisch sinnvoll
Der Finanzmarkt kann mit nachhaltigem Investieren dazu beitragen, die Klimaveränderung abzuschwächen.
Beitrag aus dem Jahresmagazin View
ESG (Environmental, Social, Governance)-Faktoren umfassen vieles und ihr Zusammenspiel ist komplex. Sie wirken sich auf die verschiedenen Geschäftsmodelle und Firmen unterschiedlich aus. «Am Ende sind es Informationen, mit denen jeder Analyst aktiv umgehen muss», sagt Sabine Döbeli, CEO von Swiss Sustainable Finance SSF. «Jeder muss sich überlegen, was haben diese Firma und die Geschäftstätigkeit für ein Risiko».
Die Schlechtesten und die Besten
Wer heute von nachhaltigem Investieren spricht, meint meist die Berücksichtigung von ESG-Faktoren. Nachhaltiges investieren ist jede Form von Anlageprozess, in dem ESG-Faktoren durch einen standardisierten Prozess in den Anlageentscheid integriert werden. «Das heisst, als Investor wählt man aktiv einen Titel aus, lässt ihn weg oder nimmt seinen Einfluss als Investor aktiv wahr», sagt Sabine Döbeli.
Die älteste Art ist der Ausschluss: In Unternehmen, die in bestimmten kontroversen Bereichen tätig sind, wird nicht investiert. Beim Best-in-Class-Ansatz orientieren sich Investoren umgekehrt an den am besten bewerteten Unternehmen und investieren gezielt in diese. 1999 wurde der Dow Jones Sustainability Index geschaffen. Er umfasst jeweils die Titel, die bezüglich ESG-Kriterien zu den besten zehn Prozent einer Branche gehören. Allerdings hat sich gezeigt, dass diese Unternehmen nicht zwingend auch gute Investitionen sein müssen.
Aktiv gestalten
Der dritte Ansatz, jener der Integration, erfordert ein Abwägen zwischen finanziellen und nachhaltigen Faktoren. Die ESG-Faktoren werden nicht isoliert bewertet, sondern beim Investitionsentscheid mit berücksichtigt. Insgesamt kann die Investition in einen Titel erfolgen, auch wenn dieser nicht zu den Spitzenreitern bezüglich Nachhaltigkeit gehört. Ein Investor kann allerdings nicht nur über seine Investitionsentscheide selbst ESG-Kriterien umsetzen. Eine gewichtige Möglichkeit bietet sich ihm, wenn er sein Stimmrecht aktiv ausübt. Er kann sich zudem auch mit anderen Investoren zusammenschliessen und durch aktiven Dialog Einfluss auf ein Unternehmen nehmen. «Eigentlich ist das die nachhaltigste Form», sagt Döbeli. Es löst einen Veränderungsprozess in den Unternehmen aus, wenn Investoren Vorschläge für eine nachhaltigere Unternehmensstrategie direkt mit dem Management diskutieren. Für die Anleger liegt der Vorteil bei diesem Ansatz darin, dass sie damit zu einer Veränderung aktiv beitragen. Allerdings hat dieser Ansatz einen grossen Nachteil: Er ist schwieriger zu kommunizieren. «Deswegen», so Döbeli, «ist es wichtig, dass ein Investor oder Anbieter eines Fonds mit einer Messgrösse zeigen kann, dass er nachhaltige Ziele auch erreicht.»
Ökonomisch sinnvoll
Sabine Döbeli sieht zwei wesentliche Gründe, weshalb sich die Investoren heute für das Thema interessieren müssen. Das Einbeziehen von ESG-Faktoren ist ökonomisch sinnvoll. «Die meisten akademischen Studien zeigen, dass langfristig das Einbeziehen von ESG-Faktoren in den Anlageprozess bessere oder zumindest gleiche Performance-Ergebnisse bringen, bei tieferem Risiko», sagt Sabine Döbeli. Ein zweiter Grund ist aber auch der Druck, Verantwortung zu übernehmen um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dieser Druck leitet sich auch aus dem Pariser Klimaabkommen ab, das fordert, die Finanzflüsse klimaverträglich zu gestalten.
Institutionelle Anleger haben zum Teil allerdings die Herausforderung, dass auch die regulatorischen Vorgaben zu berücksichtigen sind. Gewisse spezielle Bereiche wie z.B. Infrastrukturinvestments können einen hohen Nachhaltigkeitsnutzen aufweisen aber gleichzeitig eine hohe Kapitalunterlegungen brauchen. Um die Klimaziele zu erreichen, kann die Finanzindustrie einen wichtigen Beitrag leisten, aber es braucht noch mehr. Sabine Döbeli: «Auch in der Realwirtschaft braucht es Veränderungen.»