Das Jahr 1900 – so sah die Welt bei der Gründung des SVV aus
Als sich vor 125 Jahren die Vertreter der wichtigsten Versicherungsgesellschaften der Schweiz in Olten zur Gründung des Verbandes concessionierter Schweizerischer Versicherungsgesellschaften trafen, sah die Welt noch etwas anders aus. Die Schweizerische Centralbahn, in deren Verwaltungsratssaal sich die Gründungsväter des SVV trafen, war damals noch in privater Hand und sollte erst zwei Jahre später in die SBB überführt werden. Der folgende Beitrag erzählt, was die Menschen damals sonst noch beschäftigte und was die Welt sonst noch bewegte.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts erreichte der europäische Imperialismus seinen Höhepunkt. Die fünf europäischen Grossmächte – das Deutsche Reich, Frankreich, Grossbritannien, Österreich-Ungarn und das Russische Reich – dominierten das geopolitische Parkett und hielten sich mithilfe eines komplizierten Bündnissystems gegenseitig in Schach. Das britische Empire unter Königin Viktoria erstreckte sich über sechs Kontinente, war aber gerade im Zweiten Burenkrieg in Südafrika gefordert, wo zugleich das Schweizerische Rote Kreuz den ersten Einsatz im Ausland leistete. Das Deutsche Reich verstärkte seine imperialen Ambitionen mit der Verabschiedung des zweiten Flottengesetzes, verschärfte damit aber auch die deutsch-britische Rivalität, die sich 14 Jahre später im 1. Weltkrieg entladen sollte. In Österreich-Ungarn heiratete Erzherzog Franz Ferdinand die Gräfin Sophie. Beide fielen 14 Jahre später einem Attentat in Sarajewo zum Opfer. Wladimir Iljitsch Uljanow – besser bekannt als Lenin – verliess das Russische Reich und begab sich ins Exil nach Westeuropa, zeitweise auch in der Schweiz. In China entlud sich der Unmut der chinesischen Bevölkerung über die zunehmende Einflussnahme der europäischen Grossmächte im sogenannten Boxeraufstand. Die Gewalt der «Boxer» gegen christliche Missionare und europäische Delegationen löste eine internationale militärische Intervention aus.

Abbildung 1: Pavillons étrangers bei der Weltausstellung Paris 1900 (ETH-Bibliothek Zürich, Alte und Seltene Drucke)
Kultur
Frankreich war 1900 bereits zum fünften Mal Gastgeber einer Weltausstellung. Rund 48 Millionen Besucher strömten von April bis November nach Paris und durften Neuheiten und Produkte aus aller Welt bestaunen. Die Highlights waren ein erster Prototyp der Rolltreppe und die erste Linie der Pariser Metro. Teil der Weltausstellung war auch die erst zweite Ausgabe der Olympischen Spiele der Moderne. Neben klassischen Disziplinen, wie Leichtathletik, Rudern oder Fechten massen sich die Athleten und Athletinnen auch im Seilziehen, Krocket oder dem traditionellen baskischen Spiel Pelota. Der Schweizer Schütze Konrad Stäheli holte drei Mal Gold und ein Mal Bronze und wurde damit zum zweiterfolgreichsten Athleten der Spiele gekürt.
Forschung & Technik
Der österreichische Serologe Karl Landsteiner kategorisiert menschliches Blut erstmals in drei verschiedenen Blutgruppen A, B und C (heute 0), wofür er 1930 den Nobelpreis für Medizin erhalten sollte. Der deutsche Physiker Max Planck präsentiere seine Forschung zur Quantentheorie und legte damit einen Grundstein für die Forschung zur Quantenmechanik. Die Wiederentdeckung der Mendelschen Regeln durch den niederländischen Botaniker Hugo de Vries eröffnete das Forschungsfeld der Genetik. Über dem Bodensee absolvierte erstmals ein Luftschiff der Zeppelin-Klasse einen erfolgreichen Flug, während in den USA die Gebrüder Wright erste Testflüge mit einem unmotorisierten Gleiter unternahmen.

Abbildung 2: Erster Aufstieg des LZ 1 (Luftschiff Zeppelin 1) am 2. Juli 1900 bei Manzell am Bodensee (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Ans_05468-010-AL)
Naturereignisse
Doch das Jahr 1900 brachte nicht nur erfreuliche Nachrichten. Ein Hurricane der Kategorie vier traf die texanische Stadt Galveston (nahe bei Houston) und zerstörte diese komplett. Der nach der Stadt benannte Hurricane Galveston forderte zwischen 8000-12’000 Menschenleben und ist damit bis heute der tödlichste Hurricane in der US-Geschichte.
Die Schweiz
Während in den meisten europäischen Staaten Monarchen das politische Geschehen bestimmten, diskutierte die Schweizer Stimmbevölkerung im Jahr 1900 über die Grundzüge der Schweizer Demokratie. Mit zwei Volksinitiativen forderten die Katholisch-Konservativen und Sozialdemokraten die politische Vorherrschaft der Liberalen in der Schweizer Regierung heraus. Die geforderte Einführung der Proporzwahl für den Nationalrat sowie die Einführung einer Volkswahl für den Bundesrat und eine Erweiterung des Gremiums auf neun Personen zielten darauf ab, die Schweizer Bevölkerung innerhalb der Regierung besser abzubilden. Das Schweizer Stimmvolk lehnte beide Initiativen jedoch klar ab und so mussten sich die Befürworter der Proporzwahl noch 18 weitere Jahre gedulden.
Eine noch deutlichere Schlappe erlitt das Bundesgesetz betreffend die Kranken- und Unfallversicherung mit Einschluss der Militärversicherung, besser bekannt als Lex Forrer. Die Einführung einer obligatorischen Kranken- und Unfallversicherung für unselbstständige Erwerbstätige ab einem gewissen Jahreseinkommen scheiterte trotz einstimmiger Unterstützung des Parlaments vor dem Volk deutlich.

Abbildung 3: Schweizer Postkarte aus dem Jahr 1899 (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fel_018050-RE)
Wie die Welt, so hat sich auch der SVV in den letzten 125 Jahren verändert. Aus einer losen Gemeinschaft von wenigen Versicherungsgesellschaften ist heute ein Verband mit 700 Milizmitarbeitenden und einer Geschäftsstelle mit 39 Mitarbeitenden geworden. Die Aufgabe des SVV ist in den 125 Jahren seines Bestehens aber immer die gleiche geblieben: die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Schweizer Privatassekuranz zu schaffen.