«Je wichtiger ein Wettkampf, desto eher nehme ich Risiken in Kauf»
Spitzensprinterin Géraldine Frey brennt für den Wettkampf. Sie erwartet ein Jahr voller Höhepunkte: von den Hallen-WM in Glasgow bis zu den Olympischen Spielen in Paris.
Géraldine Frey, würden Sie sich eher als risikofreudige oder als vorsichtige Person beschreiben?
Meine oberste Priorität ist es, gesund zu bleiben. Wenn es um das Thema Verletzungsprävention geht, bin ich deshalb eher auf der vorsichtigen Seite. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass ich in der Vergangenheit bereits mehrere Verletzungen hatte und erlebt habe, wie weit diese einen zurückwerfen können.
Inwiefern sind Sie bereit, Risiken einzugehen, um Ihre sportlichen Ziele zu erreichen?
Je wichtiger ein Wettkampf, desto eher bin ich bereit, gewisse Risiken einzugehen. Bei kleineren Meetings meide ich möglicherweise Starts, wenn ich spüre, dass etwas zwickt. Bei einem Grossanlass wie einer WM oder den Olympischen Spielen würde ich das Risiko einer Verletzung in Kauf nehmen und trotzdem antreten.
Es gibt Aktivitäten, auf die ich aufgrund des Verletzungsrisikos momentan verzichten muss. Dazu gehören beispielsweise Skifahren oder Biken.
Wie gestalten Sie Ihren Alltag abseits der Laufbahn, um Ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten?
Es gibt Aktivitäten, auf die ich aufgrund des Verletzungsrisikos momentan verzichten muss. Dazu gehören beispielsweise Skifahren oder Biken. Auch einen Trampolinpark würde ich derzeit nicht besuchen. Vor wichtigen Wettkämpfen meide ich aber auch andere Dinge.
Welche?
Allgemein Orte mit grossen Menschenansammlungen. Es geht einfach darum, das Risiko einer Erkrankung kurz vor einem wichtigen Wettkampf zu minimieren. In solchen Phasen nutze ich auch den öffentlichen Verkehr seltener und ziehe im Flieger eher Mal eine Maske an. Und auch bei den Lebensmitteln im Kühlschrank schaue ich doppelt gut aufs Ablaufdatum.
Welche Rolle spielen die Ernährung und ein gesunder Lebensstil in Bezug auf Ihre Leistungsfähigkeit und die Gesundheitsprävention?
Selbstverständlich spielt eine ausgewogene Ernährung eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich bin ich jedoch nicht diejenige, die ständig Kalorien zählt oder sich strikt verbietet, etwas Süsses zu geniessen. Ab und zu brauche ich einfach mal ein Stück Schokolade fürs Gemüt!
Nutzen Sie auch technische Möglichkeiten, um die Regeneration zu fördern?
Es gibt tatsächlich gewisse Gadgets, die ich regelmässig nutze. Ein Beispiel sind die sogenannten Recovery Boots, die sich aufpumpen und den Blutkreislauf anregen. Nach längeren Läufen, bei denen ich das Gefühl übersäuerter Beine habe, können diese zum Einsatz kommen. Letztlich ist es einfach grundsätzlich essentiell, sich nach den Trainings gut zu erholen.
Ab und zu brauche ich einfach mal ein Stück Schokolade fürs Gemüt!
Was verstehen Sie darunter?
Das bedeutet für mich, dass ich nach dem Training keine grösseren Ausflüge unternehme oder nachts nicht noch ausgehe. Stattdessen benötige ich in diesen Momenten viel Zeit und Ruhe für mich. Diese finde ich am besten zuhause.
Resilienz wird auch im Sport als entscheidende Eigenschaft betrachtet. Wie gewährleisten Sie als Athletin während einer langen Saison Ihre physische und psychische Widerstandsfähigkeit?
Das hat zu einem gewissen Grad mit Erfahrung zu tun. Ich habe über die Jahre gelernt, meine Belastbarkeit besser einzuschätzen. So versuche ich beispielsweise, nebensportliche Tätigkeiten – wie etwa auch dieses Interview – gut zu dosieren, um mich nicht in Verpflichtungen zu verheddern. Dieses Jahr gilt dies ganz besonders.
Sie sprechen damit ihr dichtes Wettkampfprogramm an: Staffelweltmeisterschaften im Mai auf den Bahamas, EM im Juni in Rom und im August stehen die Olympischen Spiele in Paris an.
Das ist mit viel Reisen verbunden, was schon an der Substanz zerren kann. Als Konsequenz bestreite ich dazwischen eher Wettkämpfe in der Schweiz, um nicht zusätzlich noch unterwegs sein zu müssen. Und auch mein Studium an der ETH rückt vorübergehend in den Hintergrund.
Besonders wichtig ist für mich eine gute Reiseversicherung.
Wie wichtig ist Ihnen als Spitzenathletin eigentlich der Versicherungsschutz? Und welche spezifischen Versicherungen sind für Sie unverzichtbar?
Generell habe ich einen Versicherungsschutz im üblichen Rahmen – solide, aber nichts Ausgefallenes. Besonders wichtig ist für mich eine gute Reiseversicherung.
Da wären wir wieder beim Thema Reisen.
Genau. Dazu muss man wissen, dass die Anreisekosten bei internationalen Wettbewerben nur dann vom Veranstalter übernommen werden, wenn man auch tatsächlich startet. Bei einer Verletzung wenige Tage vor einem Wettbewerb müsste ich die Kosten für den bereits gebuchten Flug selbst tragen. In so einer Situation wäre ich natürlich sehr froh um die Reiseversicherung.
Kommen wir zu einem anderen Sicherheitsaspekt: Wie wichtig ist es, als Spitzensprinterin finanziell abgesichert zu sein? Wie intensiv mussten Sie sich in den vergangenen Jahren um Sponsoren bemühen?
Das ist in der Welt der Leichtathletik natürlich ein sehr individuelles Thema. Ich habe das Glück, starke Sponsoren wie die Bossard AG, die Firma Schulthess und die AMAG Group an meiner Seite zu haben.
Sie scheinen ja ganz Zug hinter sich zu haben?
Als Zugerin bin ich für diese lokale Unterstützung sehr dankbar. Auch die Beiträge der Schweizer Sporthilfe sind für uns Athletinnen und Athleten wichtig. Hinzu kommen noch Beiträge vom Verband oder Spesen, die der Verein deckt. Und natürlich sind da auch noch die Preisgelder aus den Wettkämpfen.
Seit ich hauptberuflich vom Sport lebe, habe ich begonnen, mich mit diesen Themen zu befassen. Ich habe in die dritte Säule einbezahlt und einen Teil meiner Ersparnisse angelegt.
Klingt nicht ganz einfach, bei den verschiedenen Einnahmequellen den Überblick zu behalten.
Das stimmt, wobei ich auch hier in der glücklichen Position bin, dass gewisse Beiträge bei mir fix feststehen. So kann ich aktuell gut auf eigenen Füssen stehen, selbst wenn ich mal länger verletzt ausfallen sollte. Somit stehe ich auch nicht unter Druck, jeden Wettbewerb nur wegen des Preisgeldes bestreiten zu müssen.
Welche Bedeutung misst eine Spitzensportlerin der Altersvorsorge bei? Haben Sie sich bereits mit Themen wie der dritten Säule und anderen Vorsorgeaspekten beschäftigt?
Seit ich hauptberuflich vom Sport lebe, habe ich begonnen, mich mit diesen Themen zu befassen. Ich habe in die dritte Säule einbezahlt und einen Teil meiner Ersparnisse angelegt. Rückblickend wäre ich gerne schon in der Schulzeit über dieses Thema informiert worden. Ähnlich wie beim Sport gilt auch beim Thema Finanzen: Den ersten Schritt zu machen, ist das Entscheidende – und den habe ich definitiv getan.
Géraldine Frey
Géraldine Frey gehört zur Elite der Schweizer Leichtathletik-Szene. 2022 wurde die Sprinterin Schweizermeisterin über 200 Meter, 2024 kam ein weiterer Titel über 60 Meter in der Halle hinzu. Freys grosses Ziel für dieses Jahr ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris. Die Zugerin (Jahrgang 1997) lebt mit ihrem Verlobten in Zürich, wo sie nicht nur trainiert, sondern auch ein Studium der pharmazeutischen Wissenschaften an der ETH Zürich absolviert.