Konferenzraum mit Stuhlreihe und Präsentationsbildschirm.

Fachtagung Kunst 2025: Zwischen Markt, Sicherheit und Verantwortung

Kontext
10. November 2025

Am 30. Oktober 2025 fand in der Galerie Kornfeld in Bern die Fachtagung Kunst des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) statt. Die Galerie Kornfeld gilt als eines der renommiertesten Auktionshäuser weltweit. Gegründet 1864 in Stuttgart und seit 1920 in Bern ansässig, bot sie den idealen Rahmen für den fachlichen und persönlichen Austausch der rund 60 Teilnehmenden aus der Versicherungs-, Kunst- und Museumswelt.

Der Kunstmarkt im Wandel

Nach der Begrüssung durch Peter Meili (Liberty Specialty Markets Europe S.à r.l., Leiter der Arbeitsgruppe Kunst des SVV) und Tanja Wilke (Fachverantwortliche Nichtleben, SVV) eröffnete Bernhard Bischoff (Inhaber, Geschäftsführer und Auktionator von Kornfeld Auktionen) den inhaltlichen Teil mit seinem Vortrag «Einige Gedanken zum aktuellen Kunsthandel». Er zeichnete ein anschauliches Bild eines Marktes im Wandel. Luxusgüter wie hochwertige Handtaschen werden zunehmend als Sammlerobjekte gehandelt und treten damit in Konkurrenz zur klassischen Kunst. Moderne Bauformen in privaten Wohnhäusern mit viel Glas und offenen Grundrissen reduzieren die verfügbaren Wandflächen und erschweren, die Präsentation von Kunst. Gleichzeitig nimmt die Regulatorik insbesondere in der EU spürbar zu und wirkt sich insbesondere negativ auf logistische sowie administrative Aufgaben aus.

Vortragender auf Veranstaltung vor Publikum mit Präsentation auf Leinwand.

Organisiert wurde die Fachtagung von Tanja WIlke, Fachverantwortliche Nichtleben beim SVV.

Historische und aktuelle Aspekte der Kunstversicherung

Dr. Oliver Class (Leiter Kunstversicherung der Allianz Suisse Versicherungsgesellschaft AG) referierte über Risikoanalyse, Prävention und Schadenregulierung und ihre historische Entwicklung. Er informierte über die Entwicklung von frühen Risikoabschätzungen hin zu einer engen Verzahnung von Prävention, Analyse und konservatorischer Verantwortung. Kunstversicherung wurde als wesentlicher Bestandteil des sorgfältigen Umgangs mit Kulturgut beschrieben. Insbesondere in jüngster Zeit war Dr. Oliver Claas fast täglich aufgrund des Louvre Diebstahls in der Presse und konnte mit seiner Expertise die Öffentlichkeit informieren.

Kunst und Sicherheit in der Museumslandschaft 

Markus Spinnler, Managing Director Security Experts GmbH brachte die Perspektive der Sicherheitsarchitektur ein. Er fasste integrale Sicherheit in Museen in drei Säulen: technische Massnahmen, bauliche Vorkehrungen in den Bereichen Security und Fire Safety sowie Organisation und Prozesse mit regelmässigen Sicherheitsschulungen. Er erklärte das Zeitfaktorprinzip als Grundidee einer wirksamen Sicherheitsarchitektur. Die Widerstandszeit beschreibt die Zeit, die durch bauliche und mechanische Massnahmen wie stabile Türen, sichere Fenster oder robuste Vitrinen gewonnen wird. Die Detektionszeit meint die Zeitspanne, bis ein Vorfall erkannt und ein Alarm zuverlässig, etwa durch Sensorik und Überwachungstechnik, ausgelöst wird. Die Interventionszeit bezeichnet die Dauer, bis Einsatzkräfte vor Ort eintreffen und eingreifen können. Wirksam ist der Schutz dann, wenn die Widerstandszeit länger ausfällt als die Detektionszeit und Interventionszeit zusammen und alle drei Elemente sinnvoll ineinandergreifen. Nur wenn baulich-mechanische Schutzmassnahmen genügend Zeit verschaffen, damit ein Einbruch erkannt und Interventionen rechtzeitig eingeleitet werden können, entsteht ein wirksamer Schutz von Kunst- und Kulturgut. 

Auswirkung der aktuellen US-Politik auf den Kunsttransport

In der anschliessenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Peter Meili diskutierten Bernhard Bischoff, Peter Haas (Haas & Company AG) und Dr. Stephan Zilkens (Zilkens Fine Art, Köln) die Auswirkungen der US-Politik auf den Ausstellungsbetrieb, Sammlungen und Transporte. Dabei wurde deutlich, dass Kunsttransporte grundsätzlich nicht von US-Strafzöllen betroffen sind. Wird Kunst jedoch ohne professionelle Unterstützung postalisch versendet, kann es vorkommen, dass Sendungen als kommerzielle Waren fehlklassifiziert und zu Unrecht mit Strafzöllen belegt werden. Die Empfehlung der Referierenden lautete, Kunst konsequent über spezialisierte Spediteure zu versenden.

Menschen unterhalten sich bei einem Networking-Event drinnen.

An der Fachtagung Kunst nahmen rund 60 Teilnehmenden aus der Versicherungs-, Kunst- und Museumswelt teil.

Die unabhängige Kommission für historisch belastetes Kulturerbe

Am Nachmittag rückten aktuelle Themen aus Recht und Praxis in den Fokus. Dr. Florian Schmidt-Gabain (SCHMIDT-GABAIN AG) widmete sich der neu geschaffenen unabhängigen Kommission für historisch belastetes Kulturerbe. Er beleuchtete deren Entstehungsgeschichte, Auftrag und Zuständigkeit und erklärte, welche Fälle behandelt werden und wer die Kommission kontaktieren kann. Zudem erläuterte er die Grundsätze, nach denen die Empfehlungen erarbeitet werden und den Ablauf eines konkreten Verfahrens.

Risiken und Schadenszenarien: Ein Beispiel aus der Praxis

Philippe Grütter (Senior-Schadenspezialist für Kunstschäden, Helvetia Versicherungen, Basel) zeigte in seinem Vortrag «Nur kurz umplatziert…» typische Risiken und Schadenszenarien im Kunstbetrieb. Anhand eines konkreten Falls wurde eine rund 500 Kilogramm schwere Marmorstatue beim kurzfristigen Umplatzieren mit mobilem Hebekran beschädigt. Unsachgemäss befestigte und verschmutzte Hebegurte führten zu Oberflächenverschmutzungen und Beschädigungen, zudem brach ein Arm der Skulptur ab. Da der Bruch ohne Splitterungen erfolgte, konnte nach Rücksprache mit Künstler und Kunde die Restauration erfolgreich durch den Restaurator des Versicherungsnehmers erfolgen. Die Zusammenarbeit zwischen Versicherer, Inhaber und Künstler konnte aufgrund der guten Kommunikation zu einem erfreulichen Ende geführt werden.

Wertfrage Kunst: Zwischen objektiver Einschätzung und subjektivem Empfinden

Den Abschluss bildete Dr. Dietmar Stock-Nieden (Leiter der Fachstelle «Expertisen und Schätzungen» beim Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft). Er zeigte, warum der Erhaltungszustand ein zentraler Treiber der Wertbildung ist und weshalb Auktionshäuser mit Hinweisen wie «gekauft wie gesehen» die sorgfältige Prüfung vor dem Erwerb betonen. Wird ein Kunstwerk beschädigt, mindert dies seine Werthaltigkeit. Ist die Wertminderung mitversichert, muss sie als Teil der Entschädigung in eine belastbare Zahl übersetzt werden. Der Vortrag machte das Spannungsfeld sichtbar, in welchem diese Bewertung erfolgt: Einerseits lassen sich Wertminderungen anhand objektivierbarer Kriterien identifizieren, darunter Vorzustand versus Ist-Zustand, Lage des Schadens, Ausstellbarkeit, sowie die Marktfähigkeit des restaurierten Werks. Daneben wirken jedoch auch subjektive Faktoren wie der individuelle Wert des Werks für die Eigentümerin oder den Eigentümer oder Sammlerpräferenzen. Fallbeispiele zeigten, wie ein Kriterienkatalo

Die Fachtagung bot wertvolle Einblicke an der Schnittstelle von Kunst, Markt und Versicherung. Sie verband fundiertes Fachwissen mit praxisnahen Perspektiven und machte deutlich, dass Kunstversicherung nicht nur von Zahlen und Policen lebt, sondern ebenso von Verantwortung, Expertise und Sorgfalt im Umgang mit kulturellem Erbe.

Zur Arbeitsgruppe Kunst des SVV

Die Arbeitsgruppe wurde am 10. Februar 2008 nach dem Raubüberfall auf die Sammlung Bührle in Zürich gegründet, um als Risikoträger einheitlich auf die verunsicherte Museumskundschaft zu reagieren und kompetent zu beraten. Sie befasst sich mit Kunstlogistik, Ausschreibungswesen, Deckungskonzepten, Marktbeobachtungen sowie kunstrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Fragestellungen.

Die nächste Fachtagung Kunst ist voraussichtlich 2029 geplant.